Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Sie haben sicher gesehen, dass ich beinahe alle Gemälde mit Blattgold unterlegt habe. Oder mit Imitat, das ist billiger. Ich nenne sie Katzengoldbilder, weil sie so tun, als ob. Eins heißt sogar Katzengold. Es ist auch Mineralwasser da. Wir haben es schon für morgen eingekauft. Wollen Sie eins?«
Liebermann lehnte wiederum ab. Er beeilte sich, an den Dank eine Frage zu hängen, ehe sie anfing, sich mit ihm über Ikonen zu unterhalten. »Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Stefan Berlich beschreiben?«
Selma verschluckte sich. »Gut.«
Er wartete.
»Sehr gut.«
»Ich mache Ihnen jetzt ein paar Vorschläge«, sagte Liebermann seufzend. »Suchen Sie sich einen aus: Er war Ihr Agent, Ihr Freund, Ihr Ratgeber, Ihr Lehrer, Ihr Geliebter.«
Selmas Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.
»Ja.«
»Ja, was?«
»Alles.« Sie schluchzte auf und riss einen ihrer glitzernden Arme vor das Gesicht. Mit einer derart heftigen Reaktion hatte Liebermann nicht gerechnet.
Und es kam noch schlimmer. Nachdem sie dem ersten Schluchzer ein paar weitere hinzugefügt hatte, krümmte Selma sich plötzlich, würgte und erbrach sich halb in die Spüle, halb auf Spülschrank und Boden.
Durch Liebermanns Magen ging ein Beben. Er stürzte aus der Küche in den Verbindungsflur zur Galerie, fand dort eine gekennzeichnete Tür und rettete sich auf die Toilette. Mit Gummiknien ließ er sich auf das geschlossene Klosett fallen.
Als nach einigen Minuten halbwegs Ruhe in seinen Verdauungstrakt eingekehrt war, stemmte er sich wieder hoch, ging zum Waschbecken und ließ Wasser in seinen Mund und über das Gesicht laufen. Danach fühlte er, wie das Blut in seine Wangen zurückkehrte. Er wartete trotzdem noch eine Weile, ehe er sich zurück in die Küche wagte.
Selma blickte ihm mit verschämtem Lächeln entgegen. Der Boden und der Schrank waren sauber. Sie spülte gerade einen Lappen unter dem Wasserhahn aus. In der Luft hing nur noch ein sehr schwacher säuerlicher Geruch.
»Tut mir leid!«
Liebermann winkte matt ab. »Stefan Berlich. Sie beide waren ein Paar?«
Selma sah auf den Lappen in ihrer Hand. »Dachte ich zumindest.«
»Aber etwas oder jemand hat an dieser Überzeugung gerüttelt, nicht wahr?«
Sie biss sich auf die Lippen.
»War dieser Jemand zufälligerweise Charlotte Olbinghaus?«
Sie rang hart mit sich. Klammerte die Finger um den Lappen, knetete ihn zu einem Klumpen, und erst als sich nichts Elastisches mehr an ihm finden ließ, sagte sie:
»Nein. Eine Zeitungstussi. Die wollte gleich auf Du ...« Plötzlich schienen ihre Augen zu wachsen, und mit diesen übergroßen Augen sah sie Liebermann an.
Liebermann störte sie nicht in ihrem Erkenntnisprozess. Im Gegenteil, er fand ihn ausgesprochen faszinierend.
»Herr Olbinghaus hat mir davon gar nichts erzählt!«, sagte sie, als sie fertig war.
»Konnte er nicht. Er wusste nicht, in welcher Mission seine Frau unterwegs war.«
»Welche?«
»Stefan Berlich zu schaden.«
Die Worte gingen ihm so glatt über die Lippen, dass Selma heftig zusammenzuckte.
»Aber warum?«
»Die Frage kann ich nur zum Teil beantworten«, sagte Liebermann. »Und wenn Sie ein bisschen in sich gehen, können Sie es auch. Charlotte Olbinghaus hat Ihr unbedingtes Vertrauen zu Stefan ins Wanken gebracht. Darf ich fragen, wie?«
»Sie hat behauptet, dass er mit jeder Künstlerin, die er betreut, ein Verhältnis hatte und noch immer hat«, sagte sie tonlos. »Dass ich mir nicht einbilden soll, was Besonderes zu sein, denn am Ende würde er doch zu seiner Familie zurückrennen. Und dass er mich, abgesehen davon, über den Tisch zieht.«
Liebermann nickte. »Wozu sagt jemand so etwas, haben Sie sich das nicht gefragt? Entweder er klärt Sie auf, weil er Sie vor dem Schlimmsten bewahren will. Aber Frau Olbinghaus kannte Sie gar nicht. Sie waren ihr schnurzegal. Oder weil er das Bedürfnis hat, Unruhe zu stiften. Dafür wiederum fällt mir nur ein Motiv ein: Rache. Nun, Fremde über das faule Liebesieben eines Menschen aufzuklären, ist eine sehr persönliche Form der Rache, die auch persönliche Gründe vermuten lässt.«
»Sie meinen, sie hatte ... auch ein Verhältnis mit Stefan?«
»Ich weiß es«, sagte Liebermann schlicht.
Selma nickte. »Es spielt ja eigentlich keine Rolle mehr. Es ist nur ... so deprimierend.«
»Wie wahr. Wussten Sie von seiner Familie?«
»Ja, die Frau hat MS, und er wollte sie nicht im Stich lassen. Von den Kindern hat mir erst diese Charlotte erzählt.« Sie angelte
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