Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
zweifelnd. »Charlotte hatte Migräne. Sie ist gleich hoch in ihr Zimmer. Und ich Narr dachte, diese Erpressungsgeschichte hätte sie mitgenommen.«
»Das hat sie auch«, sagte Liebermann. Über ihm grinste der Goldfisch.
»Ihre Frau hat an diesem Dienstag durch Sie zum ersten Mal von der Erpressung erfahren, und ich glaube, dass sie davon noch betroffener war als Sie. Sie hat Berlich umgehend, nämlich am Mittwoch, zur Rede gestellt. Ohne Erfolg, wie’s aussieht, aber nehmen Sie es als Trost, dass ihr der Ruf der Galerie und der eigene Stolz mehr am Herzen lagen als ihr Liebhaber.«
Es ließ sich unmöglich sagen, welche Wirkung diese Enthüllung auf Olbinghaus hatte. »Sie hören von uns«, sagte Liebermann abschließend. Und zu Anton Seeland, der noch immer im Hintergrund des Ausstellungsraumes stand und einen dekorativen Kontrast zu einer Guillotine auf goldenem Grund bildete: »Viel Glück! Sehen Sie zu, dass sie die Scheidung bald über die Bühne kriegen.«
Als er die Galerie verließ, sah er gerade noch eine bleiche Selma im Rahmen der Hintertür auftauchen und sich gegen Lesja lehnen, die ihr die Haare aus der Stirn strich. Vielleicht hatten sich hier gerade zwei verwandte Seelen gefunden. Er hoffte es für die beiden Mädchen.
Im Garten der Lennestraße 128 spielte eine Handvoll Kinder. Marion beugte sich über die Hecke und sah zu, wie sich Stefan Berlichs Tochter konzentriert bemühte, einer Babypuppe Sand mit einem Löffel zwischen die starren Lippen zu schieben.
»Hallo!«, sagte sie. »Kennst du mich noch?«
Das Mädchen sah auf. »Ja.«
Ein Stück entfernt unterhielten sich ihr Bruder und zwei andere Jungen damit, ein Fahrrad zu zerlegen.
»Willst du zu Mami?«, fragte das Mädchen, während sie den Löffel mit aller Kraft ins Gesicht der Puppe bohrte. »Papa ist noch in Indien.«
Auf Marions Armen bildete sich eine leichte Gänsehaut. »Was macht er denn da?«
Das Mädchen warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Na, arbeiten.«
»Ach ... ja.« Marion sah in das runde Gesicht mit den blauen Augen, die klar und unmissverständlich in die Welt blickten, in einigen Jahren aber vermutlich dieselbe Anziehungskraft auf ihre Umgebung ausüben würden wie die von Stefan Berlich.
»Hast du vielleicht eine Tante?«
Die Kleine gab es auf und warf Puppe und Löffel in zwei verschiedene Richtungen. »Drei. Tante Michaela, Tante Meret und Tante Cordula, aber die ist schon tot.«
Marion lächelte angesichts dieser akribischen Aufzählung. »Und wohnen Tante Michaela oder Tante Meret hier in der Nähe?«
Berlichs Tochter drehte sich und wies nach Osten. »Da wohnen Tante Meret und Ben.« Sie schwenkte herum und zeigte auf einen kraushaarigen Jungen, der eben eine Speiche zu einer Acht bog.
»Magst du Tante Meret?«
»Ja, die ist nett. Willst du sie mal kennenlernen?«
»Später.« Marion erhob sich.
»Es kann sein, dass dein Bruder und du Tante Meret mal für eine längere Weile besucht. Wär das okay?«
»Klar. Wieso, fährt Mami auch nach Indien?«
»Möglich wär’s«, sagte Marion. »Ich komm mal durch das Tor.«
Susanne Berlich öffnete die Tür mit einem Ruck. Offensichtlich hatte sie jemand anderen erwartet, denn das Lächeln auf ihren Lippen erstarb und machte einem fragenden »Sie?« Platz.
»Komme ich ungelegen?«
Susanne Berlich zuckte die Achseln. »Ihr Kollege war heute Vormittag schon da«, sagte sie. Sie krempelte unschlüssig die Ärmel eines mit Farbklecksen übersäten Kittels auf. »Ja dann: Gehen Sie schon mal durch, ich komme gleich.«
Es fiel Marion wirklich schwer. Durch die Diele sah sie das Wohnzimmer, in dem sich bis vor kurzem ein ganz normales Familienleben abgespielt hatte.
»Danke. Eigentlich möchte ich lieber, dass sie Ihre Schwester anrufen und sie bitten, sich um Ihre Kinder zu kümmern.«
»Warum?« Aber es lag bereits Resignation in Susanne Berlichs Stimme, und als Marion sagte: »Ich glaube, das wissen Sie«, schlug sie die Augen nieder.
So hatte sich der eilig herbeigerufene Anwalt der Berlichs seinen Feierabend nicht vorgestellt. Aber noch gab er das Abendbrot und das Spiel Bayern gegen Wolfsburg nicht verloren. Ein Anwalt, der etwas verloren gab, hatte den Beruf verfehlt. Mit einer an Monotonie grenzenden Hartnäckigkeit bestand er darauf, seiner Mandantin einen Aufschub der Vernehmung zu bewilligen, damit sie ihre häuslichen Angelegenheiten regeln und überhaupt erst einmal zu sich kommen könne. Nach den überstürzten Vorfällen der letzten
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