Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
letzten zwei Jahre verteilt sorgfältig angelegt hatte, zugetragen worden war.
Seine Luftgummisohlen landeten unhörbar auf dem sandigen Boden. Eine Weile blieb er im Schutz der Mauer hocken, um sich zu orientieren, dann flitzte er gebückt an den Beeten mit Stiefmütterchen, Tagetes und knospenden Pfingstrosen entlang, bis er vor einem langgestreckten Bungalow endlich haltmachte. Hier irgendwo musste es sein. Ihn störte die Laterne, die neben dem Bungalow stand. Aber immerhin sah er etwas, zumindest im blassen Kreis ihres Lichtkegels. Und wenn er sich außerhalb des Kegels aufhielt, konnte er hineinsehen, ohne selbst entdeckt zu werden.
Die einzige Gefahr blieb, dass einer der Parkwächter seine Runde gerade zufällig auf die Gärtnerei ausdehnte.
Nils strengte seine Augen an. Nachts sah er nicht besonders gut. Nach einer Weile war ihm, als nehme er eine Bewegung am anderen Ende des Bungalows wahr, aber wie gesagt, nachts waren seine Augen trübe wie Pfützen auf einem Kirchhof.
Eine Katze. Katzen gab es hier zuhauf. Manchmal verirrte sich auch ein Reh in die Gärtnerei, durch die mauerlose Stelle, die in den Kompostbereich überleitete. Es gab einen Rehgarten im Park, in dem im Herbst manchmal Jagden abgehalten wurden, wenn der Bestand zu groß wurde. Nils schätzte seinen Fluchtweg ab und beruhigte sich. Er würde über die Mauer sein, ehe der andere überhaupt einen klaren Gedanken gefasst hätte, also kein Grund zur Panik.
Ungefähr zwanzig Meter vor ihm stand ein Traktor mit Anhänger. Nils schlich dorthin, alle paar Schritte innehaltend, um zu lauschen. Als er am Anhänger ankam, sah er, dass er beladen war. Durch das Dreivierteldunkel der Nacht schimmerte das noch dunklere Laub des jungen Rhododendrons. Er schwang sich hinauf. Mindestens zwanzig Pflanzen, vermutlich mehr, aber so genau ließ sich das nicht ausmachen, weil ihr Blattwerk miteinander verschmolz. Nils sprang wieder vom Anhänger herunter und huschte, flink wie ein Wiesel, zur Mauer zurück.
Als er schon auf der sicheren Seite war und noch einmal zurückblickte, sah er eine Gestalt durch den Lichtkegel der Laterne schlurfen. Kein Reh und keine Katze. Ein Mensch. Aber ein Parkwächter war es auch nicht. Vor der Brust trug die Person etwas, das wie eine kleine Kiste aussah. Nils kniff die Augen zusammen. Die leicht gekrümmte Haltung der Gestalt kam ihm vertraut vor. Sie verschwand in Richtung der Blumenbeete.
Nils starrte ihr nach. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen.
Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf, dachte er. Das Bild hinkte ein bisschen. Es müsste lauten: Den Seinen gibt’s der Herr während des Schlafes anderer.
Dienstag
Im Büro von Hauptkommissar Hendrik Liebermann und Kriminalkommissar Uwe Schüler herrschte Weltuntergangsstimmung. Das lag zum einen an einem gerade eingegangenen Anruf aus dem Emma-Lazarus-Seniorenheim, das Uwe über einen Fluchtversuch seiner Mutter unterrichtet hatte. Dem zweiten in diesem Monat, insgesamt waren es sechs, seit Uwe das Aufnahmeformular unterschrieben hatte.
Zum anderen war ihm, und das setzte ihm wesentlich mehr zu, beim Wassereinfüllen die Kanne der Kaffeemaschine heruntergefallen. Fassungslos starrte er auf das Häufchen Scherben zu seinen Füßen. Zähne weg, Kaffeemaschine weg, Mutter weg er fragte sich ernsthaft, wie viel von seinem Leben überhaupt noch übrig war, als Marion hereinkam. Ihre Haare klebten in fettigen Strähnen helmartig um ihren Kopf.
»Sag nichts! Ich geh gleich wieder.« Ihr Blick fiel auf die Scherben. »Schade. Ich hätte jetzt einen Kaffee gebraucht.«
Noch während sie redete, ging sie eine Kehrschaufel holen. Dazu wäre Uwe nicht in der Lage gewesen. Die Scherben der Kaffeekanne wegzufegen bedeutete das Eingeständnis, dass sie unwiederbringlich hinüber war, und das ging nicht. Kaffee war sein Elixier, er bestand zu fünfundneunzig Prozent aus dem Sud der gerösteten Bohnen, die Betrachtung einer x-beliebigen Zelle seines süchtigen Körpers würde es beweisen.
Marion beförderte die Überreste seines Arbeitsauftakts in den Mülleimer und ließ ihn allein. Vielleicht hatte sie erkannt, dass mit einem Kollegen, der sich auf Entzug befand, nichts anzufangen war.
Aber nein: Minuten später erschien sie mit zwei dampfenden Pappbechern wieder im Büro. Aromatischer Dampf, den Uwe mit einem Zucken seiner Nasenflügel aus Millionen anderer herausgefiltert hätte. Er war so perplex, dass er Marion einen Blick schenkte. Zu seiner Überraschung
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