Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
sich vorzustellen, dass ein solches Mädchen sein Leben als Haushälterin verbringen wollte. Sie stieg vor ihm eine gewundene Treppe hinauf in den ersten Stock, öffnete eine Tür und lud ihn mit einer Geste herein wie ihren Gast, nicht wie einen Gast ihrer Dienstherrschaft.
»Noch eine Frage.«
»Ja?«
Irrte er sich, oder versteifte sie sich gerade? »Eine Routinefrage«, sagte er lächelnd. »Wie vertraut waren Sie mit der Dame des Hauses?«
Ihre Haltung entspannte sich wieder. »Nicht sehr.«
»Sie hat Ihnen also keine persönlichen Dinge anvertraut, wie man das unter Frauen manchmal so macht?«
»Nein.«
Mit dieser Antwort betrat Liebermann den Raum. Sie schien ihm ein wenig spärlich für eine Frau, die seit einem halben Jahr mit Charlotte Olbinghaus quasi unter einem Dach lebte.
Das Erste, was er bemerkte, war das Bett. Es war in eine Art Alkoven eingelassen, wie eine Schlafstätte aus dem 18. Jahrhundert, mit einer goldenen Tagesdecke versehen, und es sah ziemlich kurz aus.
»Hat Frau Olbinghaus dieses Bett benutzt?«
Die junge Haushälterin verzog leicht die Lippen. »Ich weiß nicht. Sie müssen ihren Mann fragen.«
»Es ist nicht so wichtig«, sagte Liebermann.
»Kann ich gehen?«
»Ja. Sagen Sie mir Ihren Namen, damit ich Sie nicht >Hallo< rufen muss, falls mir noch etwas einfällt?«
Die junge Frau errötete leicht. »Lesja.«
»Gut, Lesja. Ich melde mich.«
Er wartete, bis sie gegangen war. Dann wandte er sich wieder dem Zimmer zu.
Auch ohne das historische Bett glich es eher einem Museum als einem Wohnraum. Bodenvasen, ein safrangelber Teppich, dessen Flor einer Maus bequem Unterschlupf gewährt hätte, schwere Vorhänge, Konsolen und ein antiker Sekretär mit dazu passendem Sessel.
Ihm wandte Liebermann seine Aufmerksamkeit zu.
Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass die goldene Charlotte kein besonders ordentlicher Mensch gewesen war. Auf der Platte des Sekretärs gaben sich Rechnungen, Fotografien, Schmuck, Tablettenschachteln und Zettel ein buntes Stelldichein. Es dauerte eine Viertelstunde, bis Liebermann endlich etwas in der Hand hielt, das ihm einigermaßen gehaltvoll vorkam: Ein Moleskine-Buch, aus dem an einer Seite das Ende eines Briefes lugte. Liebermann zog ihn heraus und schob ihn wieder zurück. Glück gehabt. Er steckte Buch und Brief ein. Ansonsten blieb seine Suche ergebnislos, wenn man davon absah, dass er seinen goldenen Engel danach etwas besser kannte. Die Rechnungen über Kleider, Schuhe und Unterwäsche sprachen für sich. Außerdem entdeckte Liebermann, dass Charlotte Olbinghaus sich eingehend mit einer neuartigen Methode befasst hatte, eingefallene Wangen wieder aufzuplustern, was ein ebenso teures wie schmerzhaftes Unterfangen sein musste, nach allem, was er darüber las.
Lesja, die Haushälterin, wartete unten in der Halle auf ihn. »Sind Sie zufrieden?«
»Ich denke darüber nach«, sagte Liebermann lächelnd. »Gehöft der Schreibtisch von Frau Olbinghaus auch zu Ihrem Aufgabenbereich?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Die Schreibtische sind tabu. Außerdem gibt es eine Reinigungskraft. Ich bin die Haushälterin, nicht die Putzfrau.«
»Natürlich«, sagte Liebermann. »Entschuldigen Sie.« Gleichzeitig fragte er sich, was wohl die Aufgabe einer Haushälterin in einem Haushalt wie diesem war. Sein Blick fiel auf Lesjas manikürte Fingernägel. Kochen wohl kaum.
Eine Stunde später strich Liebermann den schmalen Brief auf Charlotte Olbinghaus’ Notizbuch glatt.
Uwe wuselte unter Beschwörungsformeln um seine Kaffeemaschine.
»Espresso?«
»Jetzt nicht. Und setz dich hin, ich kann nicht lesen, wenn du hinter mir herumklapperst.«
Uwe sackte enttäuscht auf seinen Stuhl. »Besser?« »Perfekt. Lies selbst!«
Werte Frau Olbinghaus!
Hiermit möchte ich Sie bitten, unser gestriges Gespräch als nicht stattgefunden zu betrachten , und widerrufe alle meine Aussagen.
Sollten Sie einen von mir genannten oder meinen Namen in Ihrem Artikel erwähnen, den ich im Übrigen verurteile, werde ich entsprechende Schritte einleiten. Ich möchte Sie außerdem darauf hinweisen, dass dieser Brief auch Herrn Berlich zugeht.
Iljana Karuleit
Uwe ließ den Brief sinken.
»Was sagst du dazu?«
»Sie ist ihm verfallen.«
»Oder sie hat Angst vor ihm«, meinte Liebermann und griff nach dem Buch, in dem der Brief gelegen hatte. »Sie hat nach dem Gespräch mit Charlotte Olbinghaus Kontakt zu Berlich aufgenommen, und er hat ihr den Kopf zurechtgesetzt.
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