Katerstimmung (German Edition)
euphorischen «Alter», das dem des Meisters in nichts nachsteht.
«W-8-4-U. Wait for you. Wegen Eight, acht! Und der vier, four! Die wartet auf mich!»
«Ist nur die Frage, wo», lautet Lennys kühle Reaktion.
«Wieso?»
«Also keiner kennt die Spanierin so wirklich, aber Mona hat herausbekommen, dass die heute nach Valencia fliegen wollte.»
«Was? Aber die kommt dann wieder?»
«Da war sich Mona nicht so sicher. Ihr Auslandssemester ist wohl schon vorbei.»
Auch durch die geschlossene Scheibe höre ich die Brüllbande vor dem Fenster noch immer den Triumphmarsch grölen. Ob denen auch was einfällt, wenn ich ihnen jetzt Chopins Trauermarsch vorpfeife?
«Max?»
«Ja, aber das kann doch nicht sein. Die wartet doch auf mich.»
«Vielleicht hast du ihr in deinem Delirium ja auch versprochen, sie am Flughafen zu verabschieden.»
«Keine Ahnung. Aber ich muss die wiedersehen!»
«Ich hab jedenfalls mal geschaut. Der einzige Flug nach Valencia von irgendwo hier aus der Gegend wäre um 16:15 Uhr von Düsseldorf Weeze. Check-in ist bis Viertel vor vier.»
«Das ist ja schon in zweieinhalb Stunden. Wie kommt man denn nach Weeze?»
«Eigentlich mit einem Shuttlebus, aber den wirst du nicht mehr kriegen …»
Tu es, Lenny, tu es! Erinner dich daran, dass ich damals genickt habe, als die mit dem Arschgeweih wissen wollte, ob deine Rolex echt ist. Und als die zwei Schwedinnen zweifelten, ob du tatsächlich Filmproduzent bist. Und als die Internatsmädels vom Zuckerhut auf der Domplatte wissen wollten, ob du wirklich die Organisation «Rioconciliation» für die Wiedergutmachung der langen und unbarmherzigen deutschen Kolonialzeit in Brasilien gegründet hast.
«… aber wenn dir die Frau so irre viel bedeutet … wir könnten es natürlich mit meinem Auto versuchen.»
«Das kann ich eigentlich nicht annehmen … wann kannst du da sein?»
«Viertelstunde.»
«Perfekt! Eine Sache noch: Wurde heute Morgen von Chris mit einem ‹Starker Auftritt gestern› begrüßt. Hast du eine Ahnung, was der meint?»
«Mehr hat der nicht gesagt?»
«Nee.»
«Ich erzähl’s dir später.»
Manche Dinge eignen sich hervorragend für einen Nachmittag, an dem der FC ein Heimspiel hat. Friseurbesuche zum Beispiel. Oder Spaziergänge durch die Fußgängerzone. Mit dem Auto aus der Stadt rauskommen gehört definitiv nicht zu diesen Dingen. Mühsam krebsen wir in Richtung A 57. Auf dem Weg packen wir auch noch Wilhelm ein. Wenn man sich sonst so selten sieht, muss eben auch eine nachmittägliche Flitztour in die niederrheinische Pampa zum gemeinsamen Event gemacht werden.
Ich starre im Minutentakt auf die Uhr und merke, dass mein Arbeitsspeicher inzwischen fast komplett mit Ana-Prozessen ausgelastet ist.
Was soll ich der eigentlich sagen? «Hey, ich bin der Typ, den du gestern Nacht ans Bett gefesselt hast. Willst du mich heiraten?» Und was, wenn sie wirklich für immer nach Spanien fliegt? Warum hat die das dann gestern nicht gesagt? Und warum schreibt sie mir, dass sie auf mich wartet? Vielleicht wird sie auch alles abstreiten. Aber da habe ich ja mit dem BH vorgesorgt, der sich inzwischen in einer unauffälligen Einkaufstüte neben mir befindet.
«Habt ihr gestern Nacht eigentlich irgendwas mitbekommen? Jetzt wegen Ana und mir. Oder wo wart ihr noch?»
Lenny und Wilhelm schauen sich kurz fragend an.
«Ich war noch länger in der Küche, aber ich hab von euch nichts mitbekommen. Wollte nicht stören und bin dann heim», berichtet Wilhelm.
«Also ich bin irgendwann mit Chris und den zwei Zahnis noch feiern gegangen», erinnert sich Lenny.
«Lief was mit Mona?»
«Nee.» Aha. So einsilbig ist er bei der Berichterstattung seiner Frauengeschichten sonst nicht. Aber da hat Lenny sich wohl zur Abwechslung mal eine Abfuhr geholt.
«Wäre schon, wenn ich gewollt hätte.» Er scheint meine Gedanken lesen zu können.
Auf der Autobahn geht es auch nur stockend voran. Zu viele Familien sind mit ihren Wohnmobilen auf dem Weg nach Holland, um dort die letzten Ferienwochen zu verbringen. Das nennt man dann wohl Eulen nach Athen tragen. Ich konzentriere mich weiterhin auf die Uhr. 14:36 hat sich sehr lange gezogen, 14:37 ging verhältnismäßig flott, aber bei 14:38 wurden mit Sicherheit 20 Sekunden nachgespielt.
Dass der Airport Weeze von Ryanair offiziell als Düsseldorf (Weeze) bezeichnet wird, ist eine mittlere Unverschämtheit. Irgendwo im Nirgendwo nahe der holländischen Grenze gelegen, sind die nächsten größeren
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