Katerstimmung (German Edition)
Städte Duisburg, Oberhausen oder Eindhoven – nur nicht Düsseldorf. Das ist 85 Kilometer entfernt. Wenn man so anfängt, dann darf man demnächst auch vom Oktoberfest in der Nähe von Augsburg und der Frauenkirche in Chemnitz (Dresden) sprechen. So haben sich wohl schon manche geschnitten, die sich auf den sympathischen Flughafen-Slogan «Kurze Wege – Entspannt starten» verlassen haben. Wir zählen auf jeden Fall dazu.
Es ist schon halb vier, als wir endlich den Bungalow mit Rollfeld erreichen. Beim Flughafenquartett könnte man mit der Weeze-Karte höchstens in der Kategorie «Freie Parkplätze» punkten. Aber um die Nadel im Heuhaufen zu finden, ist es ja nur von Vorteil, wenn der Heuhaufen möglichst klein ist. Und da die Nadel ja auch noch funkelt, strahlt und überaus heiß ist, sollte es eigentlich klappen. Und Spanier checken ja bestimmt nie überpünktlich ein.
Fünf Minuten später müssen wir einsehen, dass sich Ana wohl über alle landestypischen Klischees hinweggesetzt hat. Sie ist definitiv nicht im sporthallengroßen Flughafenterminal. Vermutlich kauft sie gerade dreißig Meter Luftlinie von uns entfernt im Travel-Value-Shop einen neuen BH. Oder einen Gin, den sie beim Abheben sanft küsst, während sie leise flüstert: «Ich werde dich lieben für immer, Max.» Nein! Noch ist es nicht zu spät! In Gedanken renne ich auf die Sicherheitsschleuse zu und boxe mir meinen Weg zu Ana frei; in Wahrheit renne ich in die andere Richtung und boxe mich zum Ryanair-Schalter durch. Eine freundlich lächelnde Frau mittleren Alters mit kurzen rot getönten Haaren fragt mich, was sie für mich tun kann.
«Mich da kurz reinlassen.»
«Wo wollen Sie denn rein?»
«Da hinter die Sicherheitskontrolle.»
Die Frau schaut mich ungläubig an.
«Hören Sie, ich muss unbedingt jemanden sehen, der offensichtlich schon eingecheckt hat. Wenn ich die nicht sehe, dann wird es ein bis zwei Menschen sehr schlecht gehen.»
Sie blickt mich mitleidig an wie eine Gastmutter, der ein Austauschschüler einen Tag vor der Abreise gesteht, sich in ihre Tochter verliebt zu haben. Süß, aber da bist du wohl zu spät. Glücklicherweise scheint Mama Ryanair nicht die Eltern abonniert zu haben. Sonst würde sie jetzt wohl nicht so schön mitleidig schauen, sondern sich viele Fragen stellen.
«Oh, Herzschmerz?»
«Ja. Äh. Nein. Indirekt. Es geht um … es geht um eine Herztransplantation.» Es gibt wenige Menschen, die so schlecht lügen können wie ich. Lenny schafft es immer wieder, vollkommen erfundene Geschichten so zu erzählen, dass sie niemand in Frage stellt. Ich hingegen schaffe es nicht mal, meiner Bäckerin ein überzeugendes «Leider nicht» zu entgegnen, wenn sie mich fragt, ob ich zwei Cent klein hätte, und ich zu faul bin nachzuschauen. Wenn Lenny der Politiker unter den Lügnern ist, dann bin ich der Soap-Darsteller.
Mama Ryanair schaut mich an, als hätte der Austauschschüler gerade gefragt, ob er die letzte Nacht im Zimmer der Tochter schlafen darf. Netter Versuch, aber vergiss es.
«Was würde passieren, wenn ich sage, dass ich einen Terroristen kenne, der gleich in die Valencia-Maschine steigt?»
Sie verändert ihre Mimik nur minimal.
«Also, wenn Sie Ihre Freundin oder wer immer das ist, wirklich unbedingt noch sehen wollen, dann müssen Sie sich bei meiner Kollegin da drüben wohl ein Ticket kaufen. Wenn Sie unsere Reiseversicherung wählen, dann kriegen Sie bei Nichtantritt des Fluges immerhin 50 Prozent erstattet.»
«Und was kostet mich das dann?»
«Der Flug kostet regulär 49,99 Euro.»
A man has to do, what a man has to do. Ich gehe zum benachbarten Schalter und erkläre einer jungen Kollegin von Mama Ryanair mein Dilemma. Laut ihrem gelb-blauen Schildchen heißt sie Zissy van Heekern und sieht auch genauso aus. Wenn ihr der Tresenjob hier irgendwann mal zu langweilig wird, könnte sie es problemlos als Pornostar versuchen.
«Also, Sie wollen das Ticket nach Valencia für 49,99 Euro?»
«Ja, ich nehme das Ticket, gehe da jetzt kurz durch diese Tür, komme gleich wieder und bekomme meine 50 Prozent, ja?»
«Ja. Wollen Sie ein Gepäckstück aufgeben?»
«Bitte?»
«Sie können 15 Kilo für 15 Euro oder 20 Kilo für …»
«Ich will da nur kurz rein! Wenn Sie darauf bestehen, zahl ich Ihnen die 50 Tacken, aber dann beeilen Sie sich bitte ein bisschen, der Flug geht in einer halben Stunde!»
Fräulein Ryanair mustert mich so intensiv, als kontrolliere sie gerade innerlich die Liste
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