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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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«Verdächtige Flugpassagiere erkennen», die bei der letzten Sicherheitsschulung im Bildungszentrum Kevelaer ausgeteilt wurde.
    «Wollen Sie unsere Priority Boarding-Option buchen, um nicht in der Schlange stehen zu müssen?»
    Ist das eine Provokationstaktik? Schafft man es so, islamistische Extremisten zu überführen?
    «Nein, das möchte ich nicht», antworte ich mit übertrieben sanfter Stimme, während ich innerlich explodiere. «Ich möchte nur kurz, trippel, trappel, da vorne in den Bereich gehen, wo die ganzen kleinen Menschen in die großen Flugzeuge steigen. Dann komme ich wieder, trippel, trappel, hierhin zurück.»
    «Ach so, also wollen Sie vermutlich auch keine Sportausrüstung, Musikinstrumente oder Gegenstände für Kleinkinder mitnehmen?»
    Sie scheint es tatsächlich allmählich zu begreifen.
    «Bingo!», rufe ich freudig aus. Während sie meine Personalausweisdaten eingibt, werfe ich einen Blick auf die Abfluganzeige. Es ist schon gemein, einen Tag nach einer Urlaubsabsage auf einem Flughafen zu stehen. Die Welt ruft, und du darfst nicht antworten. Wobei man, sofern Ryanair den Düsseldorf-Weeze-Trick global anwendet, vermutlich nicht in Venedig, sondern in Slowenien, nicht in Agadir, sondern in der Sahara, und nicht in Oslo, sondern am Nordpol landet. Aber immer noch besser als bei Kratzklaus in Köln-Deutz. Ich sehe Wilhelm in einiger Entfernung schon nervös auf eine imaginäre Armbanduhr zeigen. Jetzt druck mir das Ding aus, Mädel! Sie schaut angestrengt auf ihren Bildschirm.
    «Eine Frage noch: Wünschen Sie für Ihre Buchung eine SMS-Bestätigung mit Buchungsnummer und Flugdetails?»
    Nach allem, was ich über das Verhältnis von Redeanteil und Handlung in Pornofilmen weiß, nehme ich meine Zweitjob-Prognose für Zissy van Heekern augenblicklich zurück.

    Wilhelm wartet alleine. Er erzählt mir, dass Lenny sich inzwischen hinter einen unbesetzten Tresen in unmittelbarer Nähe des Info-Schalters gesetzt habe und so tue, als würde er sich nur für die dort liegengelassene Bild -Zeitung interessieren. Eigentlich spekuliere er aber darauf, von gelandeten Ortsunkundigen – vor allem von Flug FR7212 aus Stockholm und Flug FR4331 aus Rom – für einen Flughafenmitarbeiter gehalten und angesprochen zu werden. Flirt started.
    Ich erkläre Wilhelm meine Storno-Taktik, bitte ihn, mit Lenny in der Halle zu warten, und stelle mich an der Sicherheitskontrolle an.
    Als ich an der Reihe bin, zweifle ich an der Notwendigkeit meines Vorhabens, den Beweis-BH mitzunehmen. Aber jetzt ist es zu spät. Ich lege die Plastiktüte auf das Fließband und sehe, wie sie langsam in die Durchleuchtungseinheit fährt. Der Blick eines dicken Schnauzbarts springt zwischen seinem Kontrollmonitor und mir hin und her. Na und? Selbst wenn er was sagen sollte: «Meine Freundin ist Unterwäschemodel auf dem Weg zu einem Shooting und hat den vergessen.»
    «Entschuldigung, ist das Ihre Tüte?»
    «Tüte? Ja, äh, meine … meine Freundin ist Unter… ach so, die Tüte, nee, die … die ist nicht.»

    Glücklicherweise hat Ryanair die Boarding-Time des Valencia-Fluges um eine halbe Stunde verschoben, und so sitzen die meisten Fluggäste noch in den polsterlosen Sitzreihen vor Gate 2. Nur ein paar Voreilige haben sich schon in einer Warteschlange vor dem unbesetzten Tresen zusammengefunden. Das sind vermutlich genau diejenigen, die nach der Landung immer euphorisch klatschen und dann sofort von ihren Sitzen aufspringen, nur um sich die folgenden zehn Minuten bis zum Erreichen der endgültigen Parkposition sinnlos mit eingezogenem Kopf unter der Gepäckablage zu verrenken. Und morgen früh stellen sie sich den Wecker auf sechs Uhr und ziehen mit einem Handtuch bewaffnet Richtung Pool.
    Ich gehe Reihe für Reihe durch, finde fünf schnuckelnde Pärchen und sieben gestresste Familienväter, nur nicht Ana. Auch im Travel-Value-Shop steht keine Spanierin vor dem Spirituosenregal. Als ich sie nicht einmal in der Streberschlange entdecken kann, gebe ich verzweifelt auf. Sie ist nicht da.
    Traurig wate ich wieder zurück in das Flughafenterminal, wo Lenny und Wilhelm mich bereits empfangen.
    «Jungs, die ist nicht da. Die fliegt nicht mit der Maschine.»
    «Was? Das kann doch nicht sein», empört sich Lenny und widmet sich seinem iPhone.
    «Und was willst du jetzt machen?», fragt Wilhelm.
    «Ja, was schon? War wohl nix. Vielleicht fährt sie mit dem Auto nach Spanien. Vielleicht hat sie uns auch alle angelogen und fliegt weder nach

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