Katerstimmung (German Edition)
gesehen habe.
«Ich flieg hin.» Rien ne va plus.
Einige Sekunden herrscht absolute Stille. Lenny und Wilhelm wissen offensichtlich selbst nicht so genau, ob sie das für eine gute oder schlechte Entscheidung halten sollen. Lenny findet als Erster die Sprache wieder.
«Es tut mir echt leid. Ich hab dich zu der Party geschleppt, ich hab dir den Tipp mit dem ruhigen Ort gegeben, und das mit dem Flug geht auch auf meine Kappe. Max, ich bin es dir schuldig:» Was kommt jetzt? Er zahlt mir den Flug? Er übernimmt den Job als Maxis Patenonkel? Er fliegt mit dem Quadrocopter 3000 eine Pille danach nach Valencia?
«Ich komm mit.»
«Was?» Der Mann schafft es doch immer wieder, mich zu überraschen.
«Ich lass meinen besten Kumpel doch nicht im Stich. Wir ziehen das zusammen durch.»
«Genau», bestätigt Wilhelm. «Wir machen das zusammen. Wenn wir schon keinen gemeinsamen Urlaub haben, dann wenigstens eine Minireise nach Spanien.»
Ich weiß nicht genau, was ich von den beiden Vögeln halten soll. Aber irgendwo haben sie natürlich recht. Wenn schon die Last-Minute-Woche wegfällt, dann starten wir jetzt eben einen Last-Second-Tagestrip. Da in zehn Minuten Boarding Time ist, die beiden noch kein Ticket haben und Zissy van Heekern immer noch Dienst hat, dürfen wir jetzt keine Zeit verlieren. Lenny will kurz zum Auto zurück, um sein Survival-Kit 3000 zu holen, Wilhelm und ich rennen zum Ryanair-Schalter. Ich klatsche die Personalausweise von Lenny und Wilhelm auf den Tresen, schaue Zissy tief in die Augen und rattere meinen Text in einer Geschwindigkeit runter, die man sonst nur aus Besprechungen des Fernseh-FBI kennt:
«Fräulein van Heekern, ich schätze es sehr, dass Sie Ihren Job gewissenhaft ausführen und mir als Fluggast keine der vielen hervorragenden Zusatzoptionen des breitgefächerten Ryanair-Angebots vorenthalten wollen, aber wären Sie so freundlich, den beiden Inhabern dieser Personalausweise ganz schnell zwei Flugtickets für die gleich startende Maschine nach Valencia auszustellen? Ohne Gepäck, ohne Priority-Boarding-Option, ohne Sportausrüstung, ohne Musikinstrumente, ohne Gegenstände für Kleinkinder und ohne SMS-Bestätigung?»
Zissy nimmt die Pässe, tippt und schweigt. Sie sieht so aus, als würde sie meine schwierige Aufgabe wirklich bewältigen wollen. Komm schon, du schaffst es, ich glaub an dich! Aber man kann einem Kassettenrekorder noch so gut zureden, ins Internet kommt man damit doch nicht. Nach einer Weile sieht sie mich ratlos an.
«Zwei Flugtickets für jeden von den beiden oder insgesamt?»
Ich bemitleide sie mit einem astreinen Mama-Ryanair-Blick. Ihre Mutter hat sich in ihrem Leben vermutlich schon mehr Fragen gestellt als Zissy ihren Kunden. Und das ganz ohne Ratgeber.
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Bodenhaftung
Unser Flug erinnert mich irgendwie an eine Kaffeefahrt. Es ist eng und stickig, alle paar Minuten werden Produkte verkauft, und am Ende landet man vermutlich in einem Kaff. Statt Rheumadecken und Schuh-Gel-Einlagen suchen bei uns erst Sandwiches und Baguettes, dann Parfüms und Zigaretten und am Ende Rubbellose ihre Abnehmer. Gleich in der vordersten Reihe springt ein Typ nach dem Kauf eines Loses jubelnd auf, was die Glücksspielbegeisterung der anderen Fluggäste erheblich steigert. Ich würde meinen hoffentlich noch in zehn Monaten ungeborenen Nachwuchs verwetten, dass das eine verkaufsfördernde Maßnahme der Ryanair-Marketingabteilung ist. Bei Kaffeefahrten sitzen auch immer die Eltern des Moderators in der ersten Reihe, bewerten die Rheumadecken als «flauschig-warm» und werfen ein, dass sie die Schuh-Gel-Einlagen im Geschäft zum doppelten Preis gesehen hätten. Irgendwann nicke ich von der Verkaufsshow ermüdet kurz weg, werde aber wenig später von einer Durchsage des Piloten geweckt. «Rufen Sie Ihre Familienangehörigen oder Freunde an!» Ich zucke erschreckt zusammen. Was ist passiert? Wir stürzen ab und sollen uns verabschieden? «Mit dem neuen Ryanair Handy-Service.»
Lenny hingegen scheint den Air-Shop regelrecht zu genießen. Er hat wohl noch Platz in seinem Survival-Kit 3000, einem edlen schwarzen Kulturbeutel von Porsche Design , den er demonstrativ auf sein Klapptablett stellt.
«Was willst du denn kaufen?», frage ich Lenny.
«Max, es geht hier nicht ums Kaufen. Es geht um die Aufnahme in den Mile High Club Gold.» Seiner Betonung nach handelt es sich dabei um eine legendäre Institution.
«Ist das das Bonusprogramm von Ryanair?»
«Im Mile
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