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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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High Club ist jeder Mitglied, der auf 1852 Metern Höhe Sex hatte. Für den Bronze-Status reicht die eigene Freundin, für Silber darfst du die Sexpartnerin frühestens am Flughafen kennengelernt haben, und für Gold», er macht eine Pause, schaut sich um und beginnt zu flüstern, als würde er mir verraten, dass er das Bernsteinzimmer in seinem Survival-Kit 3000 versteckt hält, «für Gold musst du eine Stewardess rumkriegen.»
    Jetzt verstehe ich seine plötzliche Flug-Shopping-Begeisterung. Jede neue Verkaufsphase bietet ihm eine neue Möglichkeit, mit den Ladys in Blau-Gelb in Kontakt zu treten. Er erzählt mir von einer Umfrage in der FHM , laut der mehr als ein Drittel aller Flugbegleiterinnen schon mal Sex über den Wolken hatte. Es sind drei an Bord, Lennys Chancen stehen gut.
    In der Snackphase erkundigt er sich, ob gesichert sei, dass das Thunfisch-Baguette keine Spuren anderer Fische enthalte. Er sei bei einer Tauchexpedition der World Ocean Foundation vor den Malediven in 200 Metern Tiefe von einem Rochen gebissen worden und seither auf verschiedene Kleinfische stark allergisch. Mehrere Male muss die besorgte wie beeindruckte Alexandra nachfragen, bis sie Lenny freundlich lächelnd Entwarnung gibt.
    In der Bordshop-Phase fragt Kollegin Johanna nach Lennys Wünschen. Er möge ja gerne ab und zu eine Zigarre, gerade bei Sonnenuntergang in seinem kubanischen Ferienhaus. Aber leider könne er momentan nicht rauchen, da er sich in einer Trainingsphase für das Kuba-USA-Distanzschwimmen befinde. Stattdessen kauft er nach längerem Beratungsgespräch ein Davidoff -Parfüm und das Rasierset Holiday , die er sogleich im Survival-Kit 3000 verstaut. Ich versuche zu erspähen, was er da sonst noch drin hat, kann außer Kabeln, die wohl zu seinem Handyladegerät gehören, einer Zahnbürste und einer Zehnerbatterie Kondome jedoch nicht viel sehen.
    In der Rubbellos-Phase erzählt er Yasmin, dass er das Glück eigentlich nicht noch einmal herausfordern wolle, seit er in Monte Carlo an einem Abend einen mittleren sechsstelligen Betrag gewonnen habe, von dem er sich sein beschauliches Ferienhaus auf Kuba und die dreijährige Schwimm- und Tauchausbildung an der Elitetiefseeakademie Jacques-Yves Cousteau geleistet habe. Er kauft ihr dann doch zwei Lose ab, gewinnt dieses Mal nichts, bekommt aber offenbar plötzlich starke Magenschmerzen.
    «Der Fisch», röchelt er und rutscht in seinem dunkelblauen Sitzsessel nach unten. Er schaut mich intensiv an, womit er mir wohl den Einsatz zum Mitspielen gibt.
    «Oh nein, er hat ja diese Kleinfischallergie, seit er …», stimme ich ein, und Lenny presst hinterher:
    «Ich muss mich hinlegen, sonst könnte meine Magenschleimhaut reißen.» Gekrümmt schleppt sich Lenny mit Yasmin und der hinzugeeilten Alexandra in den hinteren Teil des Flugzeugs. Doch noch bevor ich weitere Details erkennen kann, zieht Alexandra schon den gelben Vorhang zum Passagierraum zu.
    Ich drehe mich zum Fensterplatz, wo Wilhelm seit geraumer Zeit gedankenverloren nach draußen schaut. Sein MP3-Player sorgt dafür, dass er von Marktschreiern und Elitetauchern nichts mitbekommt. Nur bei der angedeuteten Fischvergiftung hat er seine Ohrhörer kurz abgenommen, sie aber nach meiner geflüsterten «3000»-Entwarnung, sofort wieder eingesetzt. Auf ein bisschen Entspannung hätte ich gerade auch Lust. Ich frage ihn, ob ich mithören darf, und ich mache mich auf alles zwischen südamerikanischem Untergrund-Hip-Hop und Free Jazz aus den Sechzigern gefasst. Stattdessen höre ich eine sonore Schauspielerstimme:
    «Er hatte begonnen zu fühlen, dass die Liebe seines Vaters, und die Liebe seiner Mutter, und auch die Liebe seines Freundes, Govindas, nicht immer und für alle Zeit ihn beglücken, ihn stillen, ihn sättigen, ihm genügen werde. Er hatte begonnen zu ahnen, dass sein ehrwürdiger Vater und seine anderen Lehrer, dass die weisen Brahmanen ihre Fülle schon in sein wartendes Gefäß gegossen hätten, und das Gefäß war nicht voll, der Geist war nicht begnügt, die Seele war nicht ruhig, das Herz nicht gestillt. Die Waschungen waren gut, aber sie waren Wasser, sie wuschen nicht Sünde ab, sie heilten nicht Geistesdurst, sie lösten nicht Herzensangst.»
    Dann schon lieber Rubbellose.
    «Macht der das die ganze Zeit?», frage ich Wilhelm.
    «Was meinst du?»
    «Ich ahne, dass der Autor, der Schreiber, der Rastlose nicht ruht, sich nicht begnügt, nicht pausiert, bis er nicht in jedem Satz mehrere, meistens

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