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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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unüberhörbaren einminütigen «Gooool! Gol! Gol! Gol! Gol!» sitzt man wieder vor dem Fernseher – sofern man nicht bewusstlos in der Küche liegt, weil man in Müllsauce ausgerutscht ist.

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    Schlumpkönigs Rache
    Beim Abendessen schlägt Tanja vor, gleich einen botellón zu veranstalten, was ein gemeinsames Vorglühen im Freien sein soll. Bezeichnend, dass die Spanier für so etwas einen eigenen Ausdruck haben. Wir haben stattdessen «laktosefrei», «Bodenfrost» und «Zylinderkopfschraube» – das müssen die dann wohl umschreiben.
    Lenny fühlt sich in der engen Studentenbude sichtlich unwohl. Und das nicht nur, weil es sich bei der Schrankwand ganz bestimmt nicht um schwarz gebeizte Eiche Furnier handelt. Menschen, die nicht bei Facebook sind, Bärte tragen oder wissen, in welchem Jahrhundert Picasso gelebt hat, sind ihm grundsätzlich suspekt. Er wirkt geradezu erleichtert, als irgendwann sein Handy klingelt.
    «Hey, alles klar bei euch?» Seine Eltern? Mona und Lynn? Seine Möbel?
    «Nee, ich hab dann nur noch ein paar Bahnen im Hotelpool gemacht. Aber morgen wollte ich zu dieser Insel schwimmen.» Der Mile High Club!
    «Doch, doch, da gibt’s so eine Insel», sagt Lenny, hält kurz den Hörer zu und zischt in die Runde «Sagt mal schnell eine Insel hier vor der Küste!» Bewusst laut flüstert Tanja ihm «Mallorca» zu, woraufhin Lenny genervt den Raum verlässt. Die werden keine Freunde mehr.
    Als er kurz darauf zurückkommt, hat sich seine Laune offensichtlich stark gebessert. Strahlend zieht er Wilhelm und mich zur Seite und verkündet:
    «Kleine Planänderung, Jungs! Wir – gehen – ins – Bananas!» Lenny sieht uns mit so erwartungsvollem Blick an, als würde dort heute die jährliche Victoria’s Secret Fashion Show stattfinden und er hätte VIP-Karten besorgt.
    «Aber Tanja meinte doch, dass der Laden nicht sooo cool …»
    «Ja, Max, dann lieber mit diesen Zottelmenschen auf einer Wiese chillen, Dosenbier trinken und das neue Album von System of a Down diskutieren?», ätzt Lenny, und das meines Erachtens wieder ein bisschen zu laut.
    «Was machst du denn so schlechte Stimmung? Hier ist es doch total entspannt!», entgegnet Wilhelm energisch, als wir auf einmal «Cuida! Cuida!» aus Richtung des Tisches hören. Wir drehen uns blitzartig um, was zumindest Lenny vielleicht besser gelassen hätte. Dann wäre die in Kräuteröl eingelegte Olive wenigstens nur auf seinem Rücken eingeschlagen und hätte sein weißes Hemd nicht auf Brusthöhe getroffen. Mauro entschuldigt sich mit einem kurzen «Sorry», widmet sich dann aber schon einer neuen Olive. Mit dem Finger versucht er sie in ein Tor zu schnipsen, das von Bacalao-Glas und Sardinendose begrenzt und von Álvaros Händen gehütet wird.
    «Das ist ein Drykorn -Hemd!», empört sich Lenny und übersetzt in seiner Aufregung: «That is a Threecorn-Shirt!» Den Tischkickern scheint das herzlich egal zu sein, Marta ist in ihren Ingwertee vertieft, und Tanja merkt an: «Wenn das jetzt eh schon dreckig ist, kannst du damit ja vielleicht das Zeug auf dem Küchenboden wegwischen?»
    «Max?», fragt Lenny. Ich spüre, dass das dem «Schatz?» der Partnerin entspricht, wenn sie keine Lust mehr auf Champions-League in der Kneipe hat und nach Hause möchte.
    «Lenny, es gibt eine ganz kleine Chance, dass ich Ana noch irgendwie finde. Aber bestimmt nicht in so einem Laden!»
    «So einem Laden?»
    «Ja gut, Tanja meinte doch, dass das eher so, ich sag mal …»
    «Prollschuppen», wirft Tanja ein. «Ich weiß ja nicht, wer Ana ist, aber wenn die irgendwas kann, dann geht die da nicht hin.»
    «Sie kann alles», rutscht es mir reflexartig heraus.
    Lenny sieht mich an, als hätte ich ihm gerade den Laufpass gegeben, sagt kurz: «Okay», und trabt dann in Zeitlupe Richtung Tür. Er scheint auf ein «Nein, warte auf mich, ich komme mit!» zu hoffen, doch stattdessen bekommt er nur ein «Cuida! Cuida!». Er dreht sich dieses Mal nicht um, die Olive prallt auf seinen Rücken, und Álvaro grölt: «Goooool! Gol! Gol! Gol! Gol!»

    Der Chinese scheint der Türke Spaniens zu sein. Wie Dönerbuden in deutschen Großstädten reihen sich hier seine Tante-Emma-Läden aneinander. Oder Tante Hong. Alleine auf dem Weg zu unserem Trinkpicknick im Park kommen wir an Shop Beijing , Tienda 1 Euro und Catay Bazar vorbei. Im letzten kehren wir von drei winkenden Plastikkatzen im Schaufenster begrüßt ein, um uns für den botellón zu rüsten. Tanja klärt

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