Kates Geheimnis
sicher, dass Ihnen die Show gefallen wird. Ich sorge dafür, dass Sie die besten Plätze bekommen.«
»Wie nett. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Auftritt ein echter Knaller wird.«
Jill blinzelte verwundert. Was sollte das heißen? Sie wusste, dass er damit etwas andeuten wollte, aber sie war zu erschöpft und eingeschüchtert, um das jetzt zu durchschauen.
»Wie war Ihr Flug?«, schaltete sich Alex ein.
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Jill empfand die Frage nicht als erleichternd, denn sein Ton verriet, dass es ihn in Wahrheit kein bisschen interessierte. Aber sie konnte ihm nicht einfach mit einer ähnlichen Floskel antworten. »Er war schwer. Sehr schwer.« Und zu ihrem Entsetzen brach ihre Stimme. Sofort wandte Jill das Gesicht ab.
Alle wirkten überrascht, aber Jill konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass sie ihre Betroffenheit nicht verbarg, oder daran, dass sie überhaupt Gefühle zeigte Nur Alex’ Blick blieb unergründlich auf sie gerichtet. Er beobachtete sie einen Moment lang dabei, wie sie in ihrer Tasche herumwühlte, und reichte ihr dann ein Taschentuch, als reiche er einem Penner etwas Kleingeld, ohne ein Lächeln, ohne ein wenig echtes Mitgefühl.
William trat vor. »Miss Gallagher. Wir wissen es zu schätzen, dass Sie unseren Sohn nach Hause gebracht haben.«
Jill verkrampfte sich. Sie fühlte sich sofort wieder elend und schwach, als sie William gegenüberstand, und betete, dass sie jetzt nicht wieder umkippen würde. Er begann vor ihren Augen zu verschwimmen.
»Es tut mir so Leid«, begann sie. »Ich hätte nie gedacht ... «
»Ja, selbstverständlich, wir alle trauern. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich möchte mich zurückziehen.« Er lächelte kurz und gezwungen; offensichtlich wollte er nicht, dass sie fortfuhr. »Also dann, bis morgen. Gute Nacht.«
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Jill sah ihm nach, als er den Raum verließ; er ging wie ein sehr alter Mann, mit hängenden Schultern, und setzte langsam und mühevoll einen Fuß vor den anderen. Sie hatte ihm das angetan, dachte sie.
»Mein Vater ist neunundsiebzig Jahre alt«, sagte Thomas plötzlich. Sein Blick durchbohrte Jill. »Dies hier hat ihn vernichtet.«
Jill wusste nicht, was sie erwidern sollte. »Es war ein Unfall«, flüsterte sie.
»Ein Unfall«, wiederholte Thomas scharf. »Ein Unfall.«
»Tom.« Alex trat zwischen sie und packte seine Schultern. »Wir alle sind geschockt und erschöpft.«
Seine Stimme hatte einen warnenden Unterton.
»Lassen wir’s gut sein.« Er wandte sich an Jill. »Sie müssen müde sein nach dem langen Flug. Lauren wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen.«
Jill war so sehr auf Flucht bedacht, dass sie gleich einen wackeligen Schritt in Richtung Türe machte, aber Thomas’ schneidende Stimme ließ sie sofort innehalten.
»Wie ist das passiert?«
Jill erstarrte.
»Ich habe Sie gefragt, wie das passiert ist«, wiederholte Thomas. »Mein Bruder ist tot. Ich habe ein Recht darauf, es zu wissen.«
Jill blieb keine Wahl, als ihn wieder anzusehen.
»Wir sind übers Wochenende weggefahren. Da war 47
ein Baum.« Sie stockte. Thomas starrte sie an. Alle starrten sie an. »Ich verstehe es nicht«, sagte er schließlich. Seine Nase wurde langsam rot. »Ich habe ausführlich mit der New Yorker Polizei gesprochen.
Sie waren nicht betrunken. Sie hatten keine Drogen genommen. Der Verkehr war nicht allzu dicht, ganz normal. Die Straßen waren nur ein wenig feucht. Ich verstehe das nicht!« Er wurde laut.
»Es tut mir Leid«, flüsterte Jill, die jetzt heftig zitterte. »Ich weiß nicht, was passiert ist ... « Aber sie wusste es sehr wohl. Hal hatte ihr wehgetan, und sie hatte sich nicht auf die Straße konzentriert. Sie war schuld an seinem Tod, und es war Thomas’ gutes Recht, ihr Vorwürfe zu machen, sie zu hassen - das taten sie alle.
»Tom. Nicht jetzt. Nicht heute. Nicht so«, sagte Alex hart. Thomas fuhr zu seinem Cousin herum.
»Wann denn? Morgen? Vor oder nach der Beerdigung?«
»Ich hatte erwartet, Sie alle unter völlig anderen Umständen kennen zu lernen«, flüsterte Jill plötzlich.
Tränen brannten in ihren Augen. Alle drehten sich um und starrten sie an. Lauren eiskalt; Thomas sichtlich erregt; Alex mit undurchdringlichem Gesicht. »Hal hat so oft von Ihnen gesprochen, und so herzlich ... er hat Sie alle sehr geliebt und auch mich dazu gebracht, Sie zu lieben, und er hat mir erzählt, wie wir uns kennen lernen sollten ... so sollte es nicht sein!«
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Thomas schnaubte verächtlich. »Ich werde dieses Theater jetzt
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