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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Es donnerte. Jill wurde langsamer und sank schließlich gegen einen verwitterten Baum, während der Regen auf sie niederprasselte. Sie konnte Alex wieder nach ihr rufen hören.
    Sie begann zu weinen. Hatte er das Grab zerstört?
    Und warum? Brauchte er noch mehr DNS? Oder wollte er wissen, wie Kate gestorben war?
    Ein Blitz fuhr draußen über dem Meer hernieder.
    Sie erstarrte beim Anblick des vom Blitz erhellten Nachthimmels. Er hatte die ganze Landschaft erleuchtet - und sie war praktisch ohne Deckung.
    Hatte Alex sie gesehen? Plötzlich wünschte Jill, er würde wieder nach ihr rufen, damit sie einschätzen könnte, wo er war. Aber vom Friedhof und der Straße drangen keine Rufe mehr zu ihr. Da waren nur das entfernte Grollen des Donners, das Trommeln des Regens, das Heulen des Windes.
    680

    Wieder erleuchtete ein Blitz die Nacht, und es donnerte über ihr. Jill sah ihn. Eine reglose, feste Gestalt zwischen den tanzenden, verwachsenen Bäumen auf der Grenze zwischen Haus und Friedhof.
    Jill drehte sich um und rannte.
    Sie lief wie ein Sprinter, schleuderte Klumpen von Schmutz und Matsch hinter sich hoch und erreichte endlich die überwucherte Wiese und dann die Seite des Hauses.
    Das Haus sah verfallen aus, leer, brütend. Jill überlegte, ob sie sich irgendwo drinnen verstecken sollte - aber sie hatte Angst, dann in der Falle zu sitzen. Außerdem - wäre das nicht der Ort, an dem Alex zuallererst nach ihr suchen würde?
    »Jill! Ich bin’s, Alex! Jill! Warte!«
    Jill wollte ihren Ohren nicht trauen, denn das hatte so geklungen, als sei Alex nur noch wenige Meter entfernt und auch nicht mehr links hinter ihr. Es hatte sich angehört, als sei er vor ihr, und zwar rechts. Aber das war unmöglich.
    Niemand hätte sie so schnell umrunden können.
    Jill überlegte nicht lang. Sie rannte am Haus vorbei.
    Vor ihr lag die finstere, verfallene Silhouette des Turms.
    »Jill! Bleib stehen!«
    Sie konnte sich im Turm verstecken - oder sie konnte versuchen, über die Klippen zum Strand hinunterzuklettern.
    681

    Es gab kein sicheres Versteck. Alex hatte sie gesehen - er würde sie jeden Moment einholen.
    Und Jill rannte direkt auf den Turm zu. Sie bückte sich in Panik, und ihre Hand schloss sich um einen großen, scharfkantigen Stein. Jill richtete sich auf.
    »Jill«, sagte Alex, trat durch das Loch in der Mauer und stand ihr gegenüber.
    18. Oktober 1908
    Es war schon fast drei Uhr. Kate ging händeringend im Flur auf und ab und versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung war, versuchte, sich nicht zu fürchten. Aber hinter ihren Schläfen pochte ein scheußlicher Schmerz - und gar nichts war in Ordnung.
    Edward war letzte Nacht nicht nach Hause gekommen, was bedeutete, dass er sehr lange auf der Geburtstagsparty geblieben war, und an diesem Morgen hatte Kate eine Nachricht von Anne bekommen.
    Schmerz fuhr ihr mit solcher Macht durch den Kopf, dass sie aufschrie und sich setzen musste.
    Als der Schmerz nachgelassen hatte, zog sie mit zitternden Händen den zusammengefalteten Brief aus ihrer Manteltasche und las ihn zum vierten Mal.
    682

    Liebe Kate,
    Ich muss mich bei Dir entschuldigen. Ich habe mich noch niemals so schlecht benommen wie gestern Nacht, und ich bedaure es sehr. Ich kann mich nur damit rechtfertigen, dass mein Temperament mit mir durchgegangen ist aufgrund der außergewöhnlichen Situation, in der wir uns befinden.
    Liebe Kate, ich habe den ganzen Abend lang über diese Grausamkeit des Schicksals nachgedacht. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn wir uns treffen, um zu entscheiden, was zu tun ist. Da wir beide vernünftige Frauen und gute Freundinnen sind, bin ich sicher, dass wir eine Lösung finden können, die für alle Beteiligten annehmbar ist. Ich würde Dich gern um drei Uhr abholen. Bitte nimm meine Einladung an, damit wir diesen Streit endgültig begraben können.
    Herzliche Grüße von Deiner Freundin Anne
    Kate starrte auf die säuberliche Schrift. Irgendetwas war sehr merkwürdig an dem Brief. Aber sie konnte nicht genau sagen, was.
    Ihr Herz raste. Sie hörte hinter sich ein Geräusch, sprang auf und fuhr herum, aber es war niemand da.
    Kate fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Sie konnte ihre Gefühle und Ängste nicht 683

    begreifen. Sie fühlte sich nicht mehr sicher, nicht einmal in ihrem eigenen Haus. Sie musste sich immer wieder sagen, dass sie traurig war, übermüdet, und dass ihre Fantasie mit ihr durchging, dass ihr in ihrem eigenen Heim nichts passieren konnte.

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