Kates Geheimnis
Gleichgewicht verlor. Nur um sich Lady Bensonhurst gegenüberzusehen, die sie mit solchem Abscheu anblickte, dass Kate sofort klar wurde: Annes Mutter musste alles wissen. Und die höfliche Begrüßung blieb Kate im Halse Stecken. Annes Mutter wusste es - Anne hatte ihr von Edward und Peter erzählt.
Kate wurde von Panik erfasst.
Sie sah an ihr vorbei zum Earl of Collinsworth und seiner Frau. Seine kalten Augen waren mindestens so abweisend wie Lady Bensonhursts. Die einzige Person, die ein wenig Mitgefühl erkennen ließ, war seine Frau, die Gräfin; ihr Lächeln war dünn, aber durchaus wahrnehmbar.
Was machte das schon. Kate war aus purem Stolz gekommen. Sie war auch gekommen, um ihr Territorium zu markieren, selbst wenn Anne die Einzige sein sollte, die merkte, worum es hier ging.
Und vielleicht war sie in der Hoffnung gekommen, noch einen Funken der alten Freundschaft finden zu können. Jetzt brachte sie mühsam einen Knicks zustande, murmelte einen Gruß, sie wusste gar nicht, was, und floh.
Sie brauchte Luft. Dringend.
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Als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnte, entdeckte sie endlich Edward, der sie anstarrte. Aber Kate konnte nicht stehen bleiben. Sie würde sich tatsächlich gleich übergeben müssen. Sie rannte an erstaunten Gästen vorbei und durch die Terrassentür nach draußen, auf die Terrasse hinter dem Haus. In einer Ecke beugte sie sich über das Geländer und würgte trocken, jämmerlich. Der Abend hätte nicht schlimmer verlaufen können.
»Kate!«
Nicht jetzt, betete sie stumm, verzweifelt, und klammerte sich an die steinerne Balustrade.
Edwards Hände stützten ihre Schultern, als sie sich aufrichtete. »Du bist krank! Seit wann?«
Kate sah ihn nicht an; er stand immer noch hinter ihr. Der Vollmond strahlte am sternenklaren Himmel
- ein außergewöhnlich schöner Anblick. »Seit sehr kurzer Zeit«, antwortete sie mit bitterer Ironie.
Er schwieg. Dann packte er ihre Schultern fester und wirbelte sie herum. »Du warst schon die ganze Woche so merkwürdig. Ich glaube fast, du bist mir ausgewichen, soweit es einer Frau möglich ist, den Mann zu meiden, mit dem sie ihr Bett teilt. Was verschweigst du mir?«
Kate blickte auf in sein geliebtes Gesicht, in seine fragenden Augen, und wäre fast mit allem herausgeplatzt.
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Da sagte Anne: »Edward. Kate fühlt sich nicht wohl, bitte bring sie nicht in Verlegenheit. Lass mich nach ihr sehen, dies ist eine Frauensache.«
Kate sah Anne hinter Edward stehen. Ihre Augen glänzten extrem, und sie trug einen bemüht ruhigen Ausdruck auf dem Gesicht. Kate fürchtete sich, fürchtete sich ganz schrecklich davor, mit ihr allein zu sein.
Einen Moment lang rührte Edward sich nicht. Dann trat er beiseite. »Natürlich. Es würde mir nie in den Sinn kommen, eine Dame in Verlegenheit zu bringen.« Er verbeugte sich und schenkte Anne ein steifes Lächeln, bevor er sich zurückzog.
Kate hätte ihn fast aufgehalten.
Und Annes Gesicht veränderte sich schlagartig.
»Wie kannst du es wagen, hierher zu kommen!«, zischte sie. »Wie kannst du es wagen, einen Fuß in mein Haus zu setzen!«
»Anne ... «, begann Kate, erschrocken über ihre Heftigkeit. Sie hatte Bitterkeit erwartet, vielleicht auch Wut, aber nicht einen so rasenden Ausfall.
»Nein! Du musst gehen, auf der Stelle, bevor du mich noch an meinem Geburtstag demütigst!« Annes Augen glänzten unnatürlich. Zwei rosige Flecken waren auf ihren Wangen erschienen, vollkommene kleine Kreise, wie gemalt. Wie bei einem Clown.
Kate wich zurück. »Anne, ich bin nicht hergekommen, um dich zu demütigen. Trotz allem 675
sind wir doch Freundinnen, ich habe dich sehr gern ...
«
»Warum bist du dann gekommen? Um mir zu meiner Verlobung mit deinem Geliebten zu gratulieren?«
Kate verzog das Gesicht.
»Raus«, knurrte Anne, die behandschuhten Hände zu Fäusten geballt. »Verschwinde, und wage es nicht, dich noch einmal blicken zu lassen!«
Kate war, als hätte man ihr einen Dolch ins Herz gejagt. Wie konnte das geschehen? Wie konnte Anne sie so verabscheuen? Kate zögerte einen Moment und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, die eine alte Freundschaft retten und eine erbitterte neue Gegnerschaft beenden könnten, aber sie konnte sie nicht finden. Anne starrte sie noch immer hasserfüllt und feindselig an. Kate gab auf. Sie raffte ihre Röcke und eilte an Anne vorbei. Sie konnte gar nicht schnell genug fliehen.
Als Jill aus dem Hintereingang der Kirche stürmte, begann es zu
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