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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf Jills Kopf.
    Die Erkenntnis kam mit erstaunlicher Klarheit. In diesem Moment wusste Jill, dass es sehr dumm von ihr gewesen war, jemals an Alex zu zweifeln. So viele Bilder und Erinnerungen und Hoffnungen und Träume schwirrten ihr durch den Kopf, dass Jill nichts als schreckliche, bittere Reue darüber empfinden konnte, dass jetzt alles vorbei war, und auf solche Weise.
    Sie war zu jung zum Sterben.
    Ein Schatten näherte sich Lucinda von hinten. Alex.
    Jill musste vor Überraschung aufgekeucht haben, denn Lucinda fuhr in dem Moment herum, in dem Alex sie angriff. Er rammte sie wie ein Bulldozer. Die Wucht seiner Attacke warf Lucinda gegen die Wand.
    Die beiden rangen um die Waffe, und gleich darauf löste sich ein Schuss mit einem weiteren ohrenbetäubenden Knall.
    Beide sanken zusammen zu Boden.
    »Nein!«, schrie Jill und sprang auf. Einen Augenblick später war sie bei Alex und zerrte ihn von Lucinda herunter. Sein regloser Körper lag schwer in ihren Armen. Ihr Entsetzen vervielfachte sich.
    » Alex«, flüsterte sie und wiegte ihn sanft.
    714

    Seine Lider flatterten, und er schlug die Augen auf.
    »Gott sei Dank«, schluchzte Jill.
    »Lucinda«, sagte er.
    Jill fuhr zusammen und sah zu ihr hinüber. Sie lag auf dem Rücken, ihre weit aufgerissenen Augen starrten blicklos ins Leere. In ihrer Brust klaffte ein riesiges rotes Loch. »Ich glaube, sie ist tot«, flüsterte Jill erschrocken.
    Sie sah auf den Mann in ihren Armen hinab, sah seine geschlossenen Augen. »Wag es ja nicht, mir hier zu sterben«, schrie sie und küsste ihn heftig auf die Stirn.
    »Würd ich im Traum nicht dran denken«, sagte er.
    1. Dezember 1908
    Wasser.
    Kate war verzweifelt.
    Seit Tagen hatte ihr niemand Wasser oder Essen gebracht.
    Sie lag im Sterben, und sie wusste es. Das war es, was Anne die ganze Zeit gewollt hatte. Damit sie Edward für sich haben konnte - Kates Gedanken waren wirr. Was mochte Edward denken? Hatte er nach ihr gesucht? Sorgte die Gräfin gut für Peter?
    Peter! Als sie an ihren kleinen Sohn dachte, fuhr ein 715

    unvorstellbarer Schmerz durch ihre Brust, denn sie wusste, dass sie ihn nie wiedersehen würde ... und ein Fünkchen Wut flammte in ihr auf, aber es war, genauso schwach und hilflos wie sie selbst und wurde rasch verdrängt von Todesangst.
    Kate wollte nicht sterben.
    Sie war doch erst achtzehn.
    Sie wollte leben.
    Anne. Ihr Bild stand Kate ständig vor Augen, verfolgte sie regelrecht, aber nicht die Anne, die sie einmal gekannt hatte, die schüchtern und ängstlich gewesen war und jede Ungehörigkeit gefürchtet hatte.
    Sie sah sie, wie sie jetzt war, als grausames, kaltherziges Ungeheuer. Anne, die ihr ewige Freundschaft geschworen und die sie auf so üble Weise hintergangen hatte. Waren Anne und Edward schon verheiratet? Kate wusste nicht, wie lange sie schon hier eingekerkert war. Aber vor kurzem hatte es geschneit.
    Nur ein wenig, aber die dicken, nassen Flocken waren durch die Löcher im Dach gefallen, hatten sich wie weiße Blüten auf die dunkle Erde gesenkt und Kate fasziniert.
    Kate wollte schlafen. Sie war so durchgefroren, so erschöpft, so durstig, dass sie schon keinen Hunger mehr hatte. Aber der Schlaf lockte, und er war gefährlich. Sie fürchtete sich davor, einzuschlafen und vielleicht nicht mehr aufzuwachen. Es war 716

    leichter, sich von ihren wirren, wirbelnden Gedanken davontragen zu lassen, und sicherer.
    Wenn nur ...
    Manchmal konnte Kate Edward so deutlich sehen, dass sie meinte, bei ihm zu sein, und dachte, wenn sie nur die Kraft finden könne, die Hand nach ihm auszustrecken, dann könne sie ihn berühren. Sie sah ihn in Smokingjacke und Hausschuhen in ihrem Wohnzimmer, wie er Peter auf seinen Knien reiten ließ. Er lächelte ihren Sohn an, und dann blickte er auf und sah sie an. Sein Lächeln veränderte sich. Es wurde noch zärtlicher. Diesen Blick schenkte er nur ihr allein, den Blick eines Mannes für eine Frau, die er liebt ...
    Es war so lebendig, so real. Ein Teil von Kate wusste, dass sie halluzinierte. Sie wollte nicht, dass die Einbildung verschwand.
    Anne erschien. Kalt, hassenswert, böse.
    Kate wollte, dass sie wegging. Sie wollte mit Edward und ihrem Sohn allein sein, sie wollte diese kaltherzige Mörderin nicht sehen.
    Licht. Helles, gleißendes Licht fiel durch das schadhafte Dach.
    Kate blinzelte überrascht. Ihr war so kalt gewesen, so unendlich elend. Aber plötzlich fror sie gar nicht mehr, und sie war auch nicht müde. Das Licht war nicht nur hell, es

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