Kates Geheimnis
ein Vermögen gekostet hatte, und gehörte zu einer Familie von Aristokraten, die in einem Jahrhundertwende-Schlösschen lebten.
»Es ist schon komisch«, murmelte Jill, »wie schnell sich ein Leben verwandeln kann.« Und noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, musste sie an Hal denken.
»Ja, ist es. Wenn meine Mom nicht gestorben wäre, wäre ich wohl nicht hier.« Er hielt ihr die Tür auf.
»Und ich wäre vielleicht ein richtig großer Gangster geworden.«
Jill sah ihn lange und forschend an. Er lächelte. Sie versuchte, ihn sich als kleinen Gauner vorzustellen.
Es ging nicht. »Ich glaube, du wärst so ein Geldhai geworden, der hier und da ein paar Millionen von Leuten abzockt wie die, mit denen du jetzt arbeitest.«
Er lachte auf. »Ich nehme das als Kompliment«, sagte er.
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Sie setzte sich hinein, und er schloss die Tür.
Während er um den Wagen herumging und einstieg, betrachtete sie das weiße Lederinterieur. Sobald er den Zündschlüssel umdrehte, sprang ein CD-Player an, und klassische Musik ertönte.
»Brahms entspannt mich«, sagte er und stellte sie etwas leiser. »Tolles Auto«, gab Jill zurück.
»Ein Lamborghini.«
»Männer und ihr Spielzeug.« Jill konnte nicht anders.
Er grinste. »Ja. Das Leben ist schön.«
Jill musste lächeln.
»Festhalten«, sagte er und legte den Gang ein.
Jill blieb fast das Herz stehen vor Schreck, und sie schnallte sich hastig an. Aber er hatte nur Spaß gemacht, wie sein Blinzeln bewies. Rasch wandte sie das Gesicht ab. Jill sah aus dem Fenster und versuchte, an etwas anderes zu denken, aber das Bild seiner kräftigen Hände an dem lederbezogenen Lenkrad hatte sich in ihre Gedanken gebrannt. Er beherrschte das schnittige Ungetüm unter ihnen so locker wie sie ihre Ballettschuhe. Er war ein interessanter Mann. Versuchte er, sie zu beeindrucken? Und warum wollte er ihr helfen, das Haus zu durchsuchen, das seinem Onkel gehörte?
Konnte sie ihm vertrauen?
»Wie war dein Tag? Hast du dich schon ein bisschen eingelebt?« Sie befanden sich auf einer 294
verstopften zweispurigen Straße. Ein Schild sagte Jill, dass es die Cromwell Road war.
»Ich habe den halben Tag ausgepackt, bin ein bisschen einkaufen gegangen und habe versucht, mich mit zwei misstrauischen, wenn nicht sogar feindseligen Siamkatzen anzufreunden.«
Er lachte. »Da hast du dir aber was vorgenommen.«
Jill entspannte sich ein wenig. »Ich glaube, sie gewöhnen sich langsam an mich.« Sie zögerte. »Wie viele Geschäfte hast du heute abgeschlossen?« Sie war einfach neugierig.
Er warf ihr einen Blick zu und sah ihr einen Moment lang in die Augen. »Eines. Ein sehr wichtiges. Daran habe ich etwa acht Monate lang gearbeitet.« Er lächelte. »Ich hab auch persönlich einen schönen Gewinn gemacht. Ich könnte die Frau meines Lebens für das nächste Jahrzehnt mit Taittinger versorgen.«
Jill wandte den Blick ab. Was sollte das heißen?
»Stimmt etwas nicht?«
»Nein«, log Jill.
»Du kommst mir so gereizt vor.«
Sie erstarrte. Dann wandte sie sich ihm zu. »Warum sollte ich gereizt sein?«
»Aus irgendeinem Grund mache ich dich nervös.«
Er lächelte nicht. Er schaute auf die Straße. Sein klassisches Profil erinnerte sie an Pierce Brosnan.
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Aber im Gegensatz zu Pierce Brosnan, der den Helden nur spielte, war er vielleicht in Wirklichkeit so. Jill wurde bewusst, dass sie ihn dafür bewunderte, wie er sich selbst aus dem Schlamassel gezogen hatte, selbst wenn er dabei die Unterstützung der Sheldons gehabt hatte.
»Du machst mich nicht nervös.« Das war eine glatte Lüge. Er machte sie sehr wohl nervös, weil sie niemanden so attraktiv finden wollte; es war ihr einfach noch zu früh.
Jill starrte verbissen aus dem Fenster. Es würde noch viel Zeit vergehen, bis sie wieder mit jemandem schlafen würde. Aber plötzlich konnte sie sich in den Armen eines dunklen Unbekannten sehen, und es würde ihr so gut tun. Sie könnte alles vergessen, der Wirklichkeit entkommen, sich verehrt und geliebt fühlen - selbst, wenn das eine Illusion war, die der folgende Morgen verscheuchen würde.
Das waren gefährliche Gedanken. Sie schob sie beiseite.
»Ich habe heute Janet Witcombe besucht«, sagte sie.
Er nahm die Augen nicht von der Straße. »Und?«
»Sie war völlig daneben. Sie hat mich für eine ihrer zehn Enkelinnen gehalten. Wir haben uns nett unterhalten, obwohl ich überhaupt nichts verstanden habe - es ging um diese Enkelin, ihren Mann und ihre 296
Kinder. Sie hat Carol
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