Kates Geheimnis
kürzlich um Mitternacht im Garten erwischt, allein mit einem viel älteren Gentleman, trotz meiner Ermahnungen, ihn nicht in ihre Nähe zu lassen.) Ich fürchte, sie wird nur einen Ehemann der schlimmsten Sorte abbekommen, bestenfalls an einen gefühllosen Mitgiftjäger geraten. Und das, das weiß ich, würde meiner armen Kate das Herz brechen.
Ich muss gehen. Kate und ihre Mutter sind eingetroffen.
Mit einer Hand drückte Jill die Tüte mit ihren Einkäufen an sich, während die andere mit dem Schlüssel kämpfte. Es war nicht einmal sieben Uhr früh am folgenden Morgen, aber der Jetlag und die Aufregung hatten sie schon vor Stunden geweckt. Als sie mit der Hüfte die Tür aufschob, hörte sie drinnen etwas zu Boden krachen.
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Erschrocken hielt sie inne. Einen Moment lang dachte sie an einen Eindringling, im nächsten sah sie eine der Katzen aus dem Wohnzimmer nach oben sausen wie ein silbrig brauner Kugelblitz. Sie lächelte. Niemand hatte sie gewarnt, dass es sich bei Allen Barrows’ Tieren um temperamentvolle Siamkatzen handelte, und sie musste sowohl mit Lady Eleanor als auch mit Sir John erst noch Freundschaft schließen.
»Jill?«
Beim Klang von Lucindas Stimme drehte sie sich um. »Guten Morgen«, sagte sie zu Lucinda, die den Gartenweg heraufkam. Sie trug eine bequeme schwarze Hose und einen schwarzen Wollpulli. Es würde sicher Regen geben.
Lucinda lächelte breit wie immer unter ihrer überdimensionalen Schildplattbrille hervor. »Ich bin gestern erst sehr spät nach Hause gekommen und wollte nicht mehr anrufen. Aber ich habe Sie heute früh fortgehen sehen, und ich wollte herüberkommen und Sie willkommen heißen.«
»Das freut mich. Ich bin schon seit Stunden auf.
Kommen Sie doch rein«, sagte Jill.
Lucinda folgte ihr in die Küche und sah sich lächelnd in der Wohnung um. »Wie gefällt es Ihnen hier?«
»Es ist wunderbar«, sagte Jill. »Ist das nicht ein Haus, wie es Kate1906 gehabt haben könnte?«
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»Nun, ich denke, Kate hätte etwas standesgemäßer gewohnt, und ganz sicher in einem nobleren Viertel als Mayfair«, sagte Lucinda. »Sie dürfen nicht vergessen, dass sie sogar in Bensonhurst zu Gast war.«
»Ich weiß. Aber das war, bevor sie aufs Land ging, um ihr Kind zu bekommen. Sie ist hinterher wieder nach London zurückgekehrt - sie war auf Annes Geburtstagsfest. Ich habe nur Instantkaffee. Ist das okay?« Jill setzte den Kessel auf und holte Milch aus dem Kühlschrank. Als sie die Tür öffnete, hatte sie plötzlich den kostbaren Champagner vor sich, den Alex ihr am vorigen Abend geschenkt hatte. Sie hatte die Flasche ausgepackt, nachdem er gegangen war, weil sie nicht widerstehen konnte. Es war ein 1986er Taittinger Blanc de Blancs. Er hatte für diese eine Flasche weit über hundert Dollar ausgegeben, vielleicht sogar zweihundert. Aber schließlich war er ja reich. Die Geste hatte wahrscheinlich nicht viel zu bedeuten; sie bezweifelte, dass er es sich zweimal überlegt hatte, so viel Geld auszugeben.
»Ja, sicher. Ich war ja so aufgeregt, als Sie mir den Brief gefaxt haben, Jill.«
Sie setzten sich an den Küchentisch, auf dem ein schweres leinenes Tischtuch lag. Die blauweiße Vase mit den Gänseblümchen von Allen Barrows stand in der Mitte. »Gibt es Archive in Uxbridge Hall, die ich mir ansehen dürfte? Könnte man nicht ziemlich sicher annehmen, dass Kate wieder in Bensonhurst zu 288
Besuch war, als sie nach der Geburt nach London zurückkam?«
»Ich kenne alle Dokumente sehr gut, meine Liebe.
Kate war nach ihrem ersten Besuch von 1906 nicht noch einmal länger dort.« Lucinda sah sie direkt an.
»Wenn es auch nur das kleinste Gerücht über ihr Kind gegeben hat, Jill, dann war sie in der Gesellschaft nicht mehr willkommen.«
Jill nahm das in sich auf und sagte dann: »Hal hätte diese Briefe an einem sicheren Ort aufbewahrt. Wenn ich wieder in New York bin, werde ich seine Wohnung noch einmal absuchen. Aber ich habe viel darüber nachgedacht. Ich glaube, sie müssen im Haus der Sheldons in Kensington Palace Gardens sein -
denn da gehören sie hin.«
»Zumindest wissen wir jetzt, dass es die Briefe wirklich gibt.« Lucindas Augen funkelten.
»Alex holt mich heute Abend ab. Er wird mir helfen, sie dort zu suchen.« Jill stand auf, um den Kessel vom Herd zu nehmen. Alex war gar nicht wild darauf gewesen. Er meinte, die Sucherei sei nur ein Schuss ins Blaue. Aber er erklärte ihr, dass alles von Hals Konten der Familie übergeben worden war. Hal hatte bei
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