Katharina von Medici (German Edition)
er sah das Korn des so mühsam Gesäten reif und gedachte alles zu ernten.
Einige Tage vor diesem Morgen war er einmal allein mit Christoph und hatte eine lange Unterredung mit ihm, um hinter das Geheimnis des söhnlichen Widerstandes zu kommen. Christoph, der des Ehrgeizes nicht ermangelte, vertraute auf den Prinzen von Condé. Des Prinzen edelmütiges Wort – der ganz einfach nach seiner Fürstenpflicht gehandelt, – stand in seinem Herzen eingeschrieben; aber er wußte nicht, daß Condé ihn im Augenblicke, wo er ihm durch das vergitterte Gefängnisfenster sein rührendes Lebewohl zunickte, damals in Orleans, zu allen Teufeln geschickt hatte. Christoph sagte sich:
›Ein Gascogner wird mich verstanden haben.‹
Neben diesem Bewunderungsgefühl für den Prinzen hegte Christoph aber auch die tiefste Ehrfurcht vor der großen Königin Katharina, die ihm mit einem Blicke ihre Notlage, und daß sie ihn opfern müßte, gezeigt. Und doch hatte sie ihm bei seiner Höllenpein mit einem anderen Blick ein grenzenloses Versprechen durch jene stille, schnellversiegte Träne gegeben. In dem tiefen Schweigen der neunzig Tage und Nächte, die er zu seiner Heilung brauchte, ließ der neue Advokat die Ereignisse von Blois und Orleans an sich vorüberziehen. Wider seinen Willen sozusagen wog er die beiden Versprechen ab: er schwankte zwischen der Königin und dem Prinzen hin und her. Wahrlich hatte er der Königin mehr gedient als der Reformation, und bei einem jungen Manne mußten Herz und Verstand, weniger um dieses Unterschiedes als ihrer Eigenschaft als Frau willen, der Königin zuneigen. Bei ähnlichen Gelegenheiten wird ein Mann immer mehr von einer Frau als von einem Manne erhoffen.
›Ich habe mich für sie geopfert, was wird sie für mich tun?‹
Diese Frage stellte er sich schier unwillkürlich, indem er sich des Tonfalls erinnerte, womit sie: Povero mio! gesagt hatte. Man möchte nicht glauben, bis zu welchem Grade ein Mann, der einsam und krank in seinem Bette liegt, egoistisch wird. Alles, bis auf die ausschließliche Sorgfalt, als deren Gegenstand er sich fühlte, treibt ihn an, nur an sich zu denken. Wenn er über des Prinzen von Condé Verpflichtungen ihm gegenüber nachgrübelte, war Christoph sich gewärtig, mit irgendeinem Hofamte in Navarra bekleidet zu werden. Dies in politicis noch unerfahrene Kind vergaß um so mehr die Sorgen, die Parteihäupter beherrschen und wie schnell sie über Menschen und Ereignisse hinwegeilen, als er in diesem alten dunkelgebräunten Saale sich wie geborgen vorkam. Jede Partei ist notgedrungen undankbar, wenn sie streitet; zu viele Menschen sind zu belohnen, als daß man noch dankbar sein könnte. Soldaten finden sich mit solcher Undankbarkeit ab; Anführer aber kehren sich wider den neuen Herrn, dem sie so lange an Rang gleich waren. Christoph, der einzige, welcher sich seiner Leiden erinnerte, rechnete sich, indem er sich für einen ihrer Märtyrer hielt, schon zu den Häuptern der Reformation. Lecamus, dieser alte kaufmännische Schlaufuchs, der so verschlagen und scharfsinnig war, hatte seines Sohnes geheimsten Gedanken schließlich erraten. Alle seine Manöver stützten sich denn auch auf jenen natürlichen Zustand des Schwankens, dem Christoph ausgeliefert war.
»War' es nicht schön«, sagte er am Vorabend im Familienkreise zu Babette, »eines Parlamentsrats Weib zu sein? Man würde Euch Madame nennen.«
»Närrisch seid Ihr, Gevatter«, entgegnete Lallier.
»Woher wolltet Ihr denn schließlich zehntausend Taler Renten in Bodenbesitz nehmen, die ein Rat haben muß; und von wem gedächtet Ihr eine Charge zu kaufen? Die Königin-Mutter und Regentin müßte ja nur darauf versessen sein, Euren Sohn ins Parlament einzuschmuggeln, und er huldigt doch ein bißchen zu ketzerischen Meinungen, als daß man ihn dort unterbringen könnte.«
»Was würdet Ihr drum geben, wenn Ihr Eure Tochter als Frau eines Rates sehen könntet?«
»Ihr wollt meinem Geldbeutel auf den Grund gucken, Ihr alter Schlauberger Ihr«, sagte Lallier.
Parlamentsrat! Dies Wort stiftete Verheerungen in Christophs Hirne an.
Lange nach diesem Gespräche betrachtete Christoph eines Morgens den Fluß, der ihn an die Szene, mit welcher diese Geschichte anhebt, und den Prinzen von Condé, an la Renaudie und Chaudieu, die Reise nach Blois, kurz an all seine Hoffnungen erinnerte, als der Syndikus sich an seines Sohnes Seite setzte, indem er eine frohe Miene schlecht unter jenem geheuchelten Ernst verbarg.
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