Katharina von Medici (German Edition)
Behandlung teilhaftig zu werden? Weder Christoph noch sein Vater ließen auch nur ein Wörtchen darüber verlauten. Die damals allmächtige Katharina hatte ein Interesse daran, zu schweigen, der Prinz von Condé desgleichen. Ambrosius', des Königs und des Hauses Guise Chirurgen, Besuche, dem die Königin-Mutter und die Guisen die Pflege eines im stillen der Ketzerei beschuldigten jungen Burschen erlaubten, verwirrten diese geheimnisvolle Angelegenheit, in der niemand klar sah, in seltsamster Weise. Der Pfarrer von Sankt Peter zu den Ochsen endlich besuchte seines Kirchenvorstehers Sohn zu wiederholten Malen, und solche Besuche machten die Gründe des Zustandes, worin Christoph sich befand, noch unerklärlicher.
Der alte Syndikus, der seinen Plan hatte, antwortete seinen Zunftbrüdern, den Kaufleuten, die ihn auf seinen Sohn hin anredeten, ausweichend: »Ich bin allzu glücklich, lieber Gevatter, ihn gerettet zu haben! – Ja, was wollt Ihr, niemals soll man seinen Finger zwischen Tür und Angel stecken. Mein Sohn hat die Hand an den Scheiterhaufen gelegt und etwas davon heruntergerissen, das mein ganzes Haus in Brand stecken konnte! – Seine Jugend hat man mißbraucht, und uns Bürgerlichen erwächst nur Schimpf und Schande daraus, wenn wir mit den Großen des Umgangs pflegen. – Das bestimmt mich, meinen Jungen zum Justizmann zu machen, das Gericht wird ihn lehren, seine Handlungen und Worte abzuwägen. – Die junge Königin, die jetzt in Schottland ist, hat viel dazu beigetragen; vielleicht aber ist mein Sohn auch allzu unklug gewesen. – Grausamen Kummer hab ich durchgemacht. – Das wird vielleicht der Anstoß sein, daß ich das Geschäft aufgebe; nie wieder will ich an den Hof gehen. Mein Junge hat jetzt genug von der Reformation, Arme und Beine hat sie ihm zerbrochen. Ja, wenn ich Ambrosius nicht hätte! ...«
Dank solchen Reden und dank so klugem Benehmen verbreitete sich im Viertel die Kunde, daß Christoph nicht mehr von »Nickels Kuh« fräße. Jeder fand es natürlich, daß der alte Syndikus seinen Sohn ins Parlament hineinzubringen versuchte, und des Pfarrers Besuche nahm man als ganz natürlich hin. Indem man des Syndikus' Unglücksfälle bedachte, vergaß man seinen Ehrgeiz, der sonst als ungeheuerlich erschienen wäre. Der junge Advokat, der neunzig Tage im Bette gelegen, das man in dem alten Saale aufgeschlagen hatte, konnte erst seit einer Woche wieder aufstehen und hatte noch zwei Krücken zum Gehen nötig. Babettes Liebe und seiner Mutter Zärtlichkeit rührten Christoph tief; als ihn die beiden Frauen still im Bette liegen hatten, lasen sie ihm streng die Leviten über den Artikel Religion. Der Präsident von Thou machte seinem Patenkinde einen Besuch, wobei er ihn sehr väterlich ermahnte. Als Parlamentsadvokat mußte Christoph Katholik sein, dazu war er durch Schwur verpflichtet; der Präsident aber, der seines Patenkindes Orthodoxie nicht in Zweifel zog, fügte ernst folgende Worte hinzu:
»Du bist grausam geprüft worden, mein Sohn. Ich selber weiß nicht, welche Gründe die Herren von Guise hatten, um dich so zu behandeln; ich fordere dich auf, fortan ruhig zu leben, ohne dich in die Wirrnisse zu mengen, denn der Königin und des Königs Gunst wird sich nie und nimmer auf Anzettler von Unruhen erstrecken. Du bist nicht vornehm genug, um deinem Könige, wie es die Herrn von Guise tun, den Stuhl vor die Tür zu setzen. Wenn du eines schönen Tages Parlamentsrat sein willst, wirst du diese noble Stellung nur durch ernste Anhänglichkeit an die königliche Sache erringen.«
Nichtsdestoweniger hatten weder des Präsidenten von Thou Besuch, noch Babettes Verführungskünste noch Mademoiselles Lecamus, seiner Mutter, inständige Bitten den Glauben des Märtyrers der Reformation ins Wanken gebracht. Christoph hing um so mehr an seiner Religion, als er viel für sie gelitten hatte.
»Nie wird mein Vater dulden, daß ich einen Ketzer heirate«, flüsterte ihm Babette ins Ohr.
Christoph antwortete nur mit Tränen, die das hübsche Mädchen stumm und nachdenklich machten.
Der alte Lecamus wahrte seine väterliche und syndikale Würde; er beobachtete den Sohn und sprach wenig. Nachdem er seinen lieben Christoph zurückerobert hatte, war der Greis fast unzufrieden mit sich selber; er bereute, all seine Zärtlichkeit für diesen einzigen Sohn gezeigt zu haben, bewunderte ihn aber im stillen. Zu keiner Zeit seines Lebens ließ der Syndikus mehr Minen springen, um zu seinem Ziele zu gelangen; denn
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