Katharina von Medici (German Edition)
auszumalen vermag; wunderbar erklärt es übrigens die magnetische und schreckliche Operation, nach der in der okkulten Welt ein ständiges Verlangen herrscht, womit sie die so dem Tode geweihte Persönlichkeit umkreist, deren Wachsbild ständig an die erhoff ten Wirkungen erinnert. Die damalige Justiz dachte mit Recht, daß ein verkörperter Gedanke ein Majestätsverbrechen bedeute. Karl der Neunte verlangte des Florentiners Tod, aber die mächtigere Katharina setzte beim Parlamente vermittelst des Rates Lecamus durch, daß ihr Astrolog nur zur Galeere verurteilt ward. Als der König tot war, wurde Kosmus Ruggieri durch einen Befehl Heinrichs des Dritten begnadigt, der ihn auch wieder in Genuß seiner Pensionen setzte und ihn bei Hofe empfing.
Katharina hatte damals ihres Sohnes Herzen so viele Wunden beigebracht, daß er in diesem Augenblicke voller Ungeduld ersehnte, der Mutter Joch abzuschütteln. Seit Marie Touchets Abwesenheit hatte sich der unbeschäftigte Karl der Neunte vorgenommen, alles um sich her zu beobachten. Sehr geschickt stellte er Leuten, derer er sich sicher glaubte, Fallen, um ihre Treue zu erproben. Seiner Mutter Schritte überwachte er und entzog ihr die Kenntnis der seinigen, indem er sich, um sie zu täuschen, all der Fehler bediente, die sie ihn gelehrt. Vom Verlangen verzehrt, den in Frankreich durch die Bartholomäusnacht hervorgerufenen Abscheu gegen sich zu ersticken, beschäftigte er sich voll Eifer mit den Staatsangelegenheiten, saß dem Rate vor und bestrebte sich, die Zügel der Regierung durch geschickt abgewogene Handlungen zu ergreifen. Obwohl die Königin versucht hatte, ihres Sohnes Dispositionen zu bekämpfen, indem sie alle Mittel ihres Einflusses spielen ließ, welche mütterliche Autorität ihr über seinen Geist und ihre Gewohnheit, ihn zu beherrschen, boten, greift der Hang zum Mißtrauen doch so schnell um sich, daß der Sohn beim ersten sich Aufbäumen zu weit ging, um je wieder zurückfinden zu können. Am Tage, wo Karl dem Neunten die von seiner Mutter dem Polenkönige gegenüber geäußerten Worte hinterbracht wurden, fühlte er sich in einem so schlechten Gesundheitszustande, daß ihn furchtbare Gedanken überkamen; und wenn derartige Verdächtigungen eines Sohnes und eines Königs Herz verwüsten, vermag nichts mehr sie zu zerstreuen. Tatsächlich sah sich seine Mutter an seinem Sterbebette genötigt, ihn mit dem Schrei: »Sagt so etwas nicht, Monsieur!« in dem Augenblicke zu unterbrechen, wo er, Heinrich dem Vierten sein Weib und seine Tochter anvertrauend, ihn als Wächter gegen Katharina aufstellen wollte. Wiewohl Karl der Neunte nicht jenes äußerlichen Respektes ermangelte, auf welchen sie immer so eifersüchtig war, weswegen sie die Könige, ihre Kinder, nur mit »Monsieur« anredete, fühlte die Königin seit einigen Monden aus ihres Sohnes Gebaren die schlecht verhehlte Ironie einer zurückgedämmten Rache heraus. Wer Katharina aber überrumpeln wollte, mußte geschickt sein. Bereithielt sie des Herzogs von Alençon und la Moles Verschwörung, um durch eine neue brüderliche Rivalität die Bemühungen zu vereiteln, welcher Karl der Neunte sich befleißigte, um seine Emanzipation durchzusetzen. Nur wollte sie, bevor sie sie benutzte, all das Mißtrauen zerstreuen, das jede Versöhnung zwischen ihr und ihrem Sohne unmöglich machen konnte. Denn würde er einer Mutter die Macht überlassen, die ihn zu vergiften imstande war? Auch glaubte sie sich in diesem Momente so ernstlich bedroht, daß sie Strozzi, ihren Verwandten, einen durch seine Tatkraft bemerkenswerten Soldaten, herbeordert hatte. Mit Birago und den Gondis hielt sie geheime, verdächtige Zusammenkünfte ab, und niemals hatte sie ihr Orakel im Hotel Soissons häufiger befragt.
Wiewohl die Übung im Heucheln ebensowohl wie das Alter Katharinen jene Äbtissinnenmaske verliehen hatten, die stolz und entsagungsvoll, fahl und nichtsdestoweniger voller Tiefe, verschwiegen, inquisitorisch und für die Augen aller derer, die ihr Bild studiert haben, so bemerkenswert war, entdeckten Höflinge doch einige Schatten auf diesem Florentiner Spiegel. Keine Herrscherin zeigte sich imposanter als dieses Weib seit dem Tage, wo es ihr gelungen war, die Guisen nach Franz des Zweiten Tode in Schach zu halten. Nie hat sie die Trauer um Heinrich den Zweiten abgelegt. Ihre schwarzsamtene Schnebbenhaube saß wie eine weibliche Mönchskappe auf ihrem gebieterischen und kalten Haupte, dem sie übrigens bei Gelegenheit etwas
Weitere Kostenlose Bücher