Katharina von Medici (German Edition)
täuschen, über seine Leiden zu unterhalten schien, ging Karl der Neunte auf und nieder. Dann fürchtete er seine Kühle allzu deutlich zu zeigen und trat deshalb zu den beiden Königinnen, um mit ihnen zu plaudern. Birago rief er zu ihnen. In diesem Augenblicke schlich sich Pinard, einer der Staatssekretäre, von der Tür zu Katharina hin, indem er wie ein Aal die Mauern entlang glitt. Er flüsterte der Königin-Mutter zwei Worte ins Ohr; die antwortete bejahend. Der König fragte seine Mutter nicht, um was es sich handle. Wieder setzte er sich in seinen Sessel und wahrte Schweigen. Vorher hatte er dem Hofe einen furchtbar zornigen und eifersüchtigen Blick zugeworfen. Dieser geringfügige Vorfall war in aller Höflinge Augen von enormer Wichtigkeit. Diese Ausübung der Macht, ohne den König teilnehmen zu lassen, wirkte wie der Wassertropfen, der das Glas überfließen macht.
Die Königin Elisabeth und die Gräfin von Fiesko zogen sich zurück, ohne daß der König acht darauf gab; die Königin-Mutter aber geleitete ihre Schwiegertochter bis an die Tür. Obwohl die Mißhelligkeit zwischen Mutter und Sohn, Katharinas und Karls des Neunten Gesten, Blicke und Haltung lebhaftes Interesse erweckten, machte ihre kalte Hallung den Höflingen begreiflich, daß sie im Wege waren; sie verließen den Salon, als die junge Königin hinausgegangen war. Um zehn Uhr waren nur mehr einige Intime, die beiden Gondis, Tavannes, der Graf von Solern, Birago und die Königin-Mutter zugegen.
In schwarze Schwermut versunken verharrte der König. Dies Schweigen wirkte ermüdend. Katharina schien bestürzt, sie wollte aufbrechen, wünschte, daß der König sie hinausgeleite; der König aber blieb hartnäckig in seine Träumerei versunken. Sie erhob sich, um ihm gute Nacht zu sagen. Karl der Neunte sah sich genötigt, ein Gleiches zu tun. Sie nahm seinen Arm, tat einige Schritte mit ihm, um sich an sein Ohr zu neigen und ihm folgende Worte zuraunen zu können:
»Ich habe Euch wichtige Dinge anzuvertrauen, Monsieur.«
Ehe die Königin-Mutter aufbrach, blinzelte sie den Herren von Gondi in einem Spiegel zu, was um so besser sich ihres Sohnes Blicken entziehen konnte, als dieser selbst dem Grafen von Solern und Villeroj einen Blick geheimen Einverständnisses zuwarf. Tavannes war nachdenklich.
»Sire,« erklärte der Marschall von Retz, sein Nachsinnen aufgebend, »ich finde Euch königlich gelangweilt. Belustigt Ihr Euch denn gar nicht mehr? Herr Gott, wo ist die Zeit hin, wo wir uns damit unterhielten, abends durch die Straßen zu stromern?«
»Ach, eine schöne Zeit war das«, antwortete der König nicht ohne einen Seufzer.
»Warum geht Ihr nicht mehr hin?« äußerte Birago sich zurückziehend und den Gondis einen verstohlenen Blick zuwerfend.
»Immer erinnere ich mich voller Freude jener Zeiten«, rief der Marschall von Retz.
»Gerne würd ich Euch auf den Dächern sehen, Marschall«, sagte Tavannes. »Verfluchter italienischer Kater, möchtest du dir den Hals doch brechen!« fügte er an des Königs Ohr hinzu.
»Nicht recht weiß ich, wer von uns flinker über eine Straße oder einen Hof springen würde, genau aber weiß ich, daß weder der eine noch der andere sich vor dem Tode fürchtete«, antwortete der Herzog von Retz.
»Nun denn, Sire, wollt Ihr wie in Eurer Jugend Tollheiten treiben?« fragte der Großmeister der Kleiderkammer.
Mit vierundzwanzig Jahren also kam dieser unglückliche König niemandem mehr jung vor, nicht einmal seinen Schmeichlern. Wie veritable Schulbuben riefen der König und Tavannes sich einige ihrer schönen Streiche ins Gedächtnis zurück, die sie in Paris ausgeheckt hatten, und die Partie wurde bald beschlossen. Da man in Zweifel gestellt hatte, daß sie von Dach zu Dach und von einer Straßenseite auf die andere springen könnten, wetteten die beiden Italiener, daß sie dem Könige folgen würden. Jedweder ging hin, um sich in seinen Taugenichtsanzug zu kleiden.
Der Graf von Solern, mit dem Könige allein geblieben, blickte ihn erstaunt an. Wenn der gute Deutsche – er war von Mitleid gepackt, da er des Königs von Frankreich Lage begriff – auch die Treue und die Ehre selber war, so arbeitete doch sein Begriffsvermögen nicht schnell. Von feindseligen Menschen umgeben, wie er war, konnte Karl der Neunte sich auf niemanden, nicht einmal auf sein Weib verlassen, das sich einiger Indiskretionen schuldig gemacht, da sie nicht ahnte, daß er die eigene Mutter und seine Diener zu Feinden hatte,
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