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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Tag geht zur Neige.«
    »Unsere Wissenschaft kann uns einen Himmel nach unserer Phantasie herzaubern, Sire«, erklärte Lorenz Ruggieri. »Für den, der in einem Laboratorium am Schmelzofen arbeitet, ist das Wetter immer schön.«
    »Das stimmt«, erwiderte der König.– »Nun, mein Vater,« sagte er, sich eines Ausdrucks bedienend, der ihm alten Leuten gegenüber geläufig war, »wollt Ihr mir den Gegenstand Eurer Studien aufs genaueste erklären?«
    »Wer garantiert uns die Straflosigkeit?«
    »Des Königs Wort«, antwortete Karl der Neunte, dessen Neugier durch diese Frage lebhaft gereizt wurde.
    Lorenz Ruggieri schien zu zaudern. Karl der Neunte rief:
    »Was hält Euch auf? Wir sind allein.«
    »Ist der König von Frankreich hier?« fragte der hochgewachsene Greis.
    Karl der Neunte überlegte einen Augenblick und antwortete:
    »Nein!«
    »Wird er auch nicht kommen?« fragte Lorenz abermals.
    »Nein«, antwortete Karl der Neunte, eine Zornesregung unterdrückend.
    Der imposante Greis zog einen Stuhl heran und setzte sich. Der ob solcher Kühnheit erstaunte Kosmus wagte seinen Bruder nicht nachzuahmen.
    Karl der Neunte sagte voll tiefer Ironie:
    »Der König ist nicht anwesend, mein Herr; doch seid Ihr bei einer Dame, deren Aufforderung Ihr hättet abwarten müssen.«
    »Der, den Ihr hier vor Euch seht, Madame, steht ebenso hoch über den Königen, als Könige über ihren Untertanen stehn. Und wenn Ihr meine Macht erst kennt, werdet Ihr mich höflich genug finden.«
    Als sie diese mit italienischer Emphase geäußerten kühnen Worte vernahmen, schauten Karl und Marie sich an und blickten auf Kosmus, der, die Augen auf seinen Bruder geheftet, zu sagen schien: »Wie wird er sich aus unserer bösen Lage herauswinden?«
    Tatsächlich konnte nur eine einzige Person die Größe und Feinheit des Lorenz Ruggierischen Eingangswortes begreifen; weder auf den König noch auf seine junge Geliebte, wohl aber auf den verschmitzten Kosmus Ruggieri vermochte der Greis mit dem Zauber seines Mutes zu wirken. Wiewohl er den geschicktesten Hofleuten und vielleicht auch Katharinen von Medici, seiner Beschützerin, geistig überlegen war, so erkannte der Astrolog seinen Bruder Lorenz doch als seinen Meister an. Dieser alte, in Einsamkeit begrabene Gelehrte hatte die Herrscher begriffen, die fast alle durch die ständige Aufregung der Politik, deren Krisen zu jener Zeit so plötzlich, lebhaft, so hitzig und unvorhergesehen waren, abgestumpft wurden; er kannte ihre Langeweile, ihre Müdigkeit Dingen gegenüber, wußte mit welchem Eifer sie das Fremde, Neue und Krause verfolgten und wie sehr sie es vor allem liebten, sich in der intellektuellen Region zu bewegen, um zu vermeiden, sich stets nur mit Menschen und Ereignissen herumzuschlagen. Denen, die die Politik erschöpft haben, bleibt nur mehr der reine Gedanke übrig; Karl der Fünfte hat das durch seine Abdankung bewiesen. Karl der Neunte, welcher Sonette und Degen schmiedete, um sich den aufreibenden Angelegenheiten eines Jahrhunderts zu entziehen, in welchem der Thron nicht minder in Frage stand als der König, und der vom Königtum nur die Sorgen spürte, ohne seiner Freuden froh zu werden, mußte durch die kühne Verneinung seiner Macht, die Lorenz sich eben herausgenommen hatte, lebhaft aufgerüttelt werden. Gottlosigkeiten überraschten wahrlich nicht mehr zu einer Zeit, wo der Katholizismus so auf Herz und Nieren geprüft wurde; daß man die Zerstörung der Religion als Basis für wahnsinnige Versuche einer geheimnisvollen Kunst nahm, mußte den König lebhaft treffen und ihn aus seiner düsteren Zerstreutheit reißen. Denn eine Eroberung, bei der es sich um den ganzen Menschen handelte, war ein Unterfangen, das in des Ruggieri Augen jedes andere Interesse als klein erscheinen lassen mußte. Von dem Begriff, den man dem Könige beibringen wollte, hing eine wichtige Freisprechung ab, welche die beiden Brüder nicht erbitten konnten und die man erringen mußte! Das Wesentliche war, Karl den Neunten seinen Argwohn vergessen zu machen, indem man ihn auf irgendeine Idee losgehen ließ.
    Die beiden Italiener wußten nicht, daß der Einsatz bei dieser seltsamen Partie ihr eigenes Leben war. Die zugleich demütigen und stolzen Blicke, die sie mit Maries und des Königs scharfsinnigen und argwöhnischen austauschten, bildeten bereits eine Szene für sich.
    »Sire,« sagte Lorenz Ruggieri, »Ihr habt mir die Wahrheit abverlangt; um sie aber in ihrer ganzen Nacktheit zu zeigen, muß ich

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