Katharina von Medici (German Edition)
alle Formen anzunehmen, die wir es annehmen sehen. Wenn wir diesen atomistischen Teilchen gegenüber stehen und seine Bewegung an seinem Ausgangspunkt erfaßt haben, kennen wir seine Gesetze. Von dem Augenblicke an können wir als die Herren ihm die Form gebieten, die uns von allen denen, die wir sehen, gefällt. Wir werden Gold besitzen, um die Welt, zu erlangen, und uns Lebensjahrhunderte schaffen, um uns ihrer zu erfreuen. Das ist es, was wir, mein Volk und ich, suchen. All unsere Kräfte, all unsere Gedanken sind dieser Nachforschung gewidmet; nichts zieht uns davon ab. Eine mit einer anderen Leidenschaft vergeudete Stunde würde uns als ein Raub an ihrer Größe erscheinen! Wie Ihr gewißlich niemals Eurer Hunde einen überraschtet, der Tier- und Jägerrecht vergaß, so habe ich niemals einen meiner geduldigen Untertanen gefunden, der sich durch ein Weib oder habsüchtiges Interesse hätte abziehen lassen. Wenn der Adept Gold und Macht ersehnt, rührt dieser Durst von der Stärke unserer Bedürfnisse her; er hascht, wie der abgehetzte Hund im Laufe etwas Wasser aufleckt, nach einem Vermögen, weil seine Öfen einen Diamanten zum Schmelzen oder einen Goldbarren verlangen, der pulverisiert werden muß. Jedwedem seine Arbeit! Der sucht das Geheimnis der Natur der Pflanzen, beobachtet ihr langsames Leben, nimmt die Parität der Bewegung in allen Spezies und die Parität der Ernährung ad notam, findet, daß überall Sonne, Luft und Wasser zur Befruchtung und Nahrung nötig sind. Ein anderer durchforscht das Blut der Tiere. Wieder ein anderer studiert die Gesetze der allgemeinen Bewegung und ihre Zusammenhänge mit den Revolutionen des Himmelzeltes. Fast alle quälen sich damit ab, die unzugängliche Natur des Metalls zu bekämpfen, denn wenn wir in allen Dingen mehrere Prinzipien erkennen, finden wir alle Metalle in ihren geringsten Teilen einander ähnlich. Von daher stammt der allgemeine Irrtum über unsere Arbeiten. Seht Euch all diese Dulder, diese unermüdlichen Ringer an, die, immer besiegt, doch immer zum Kampfe zurückkehren! Die Menschheit, Sire, steht hinter uns, wie der Pikör hinter Eurer Meute steht. Sie schreit uns zu: Beeilt euch! Vergeßt nichts! Opfert alles, selbst einen Menschen, ihr, die ihr euch selber opfert! Beeilt euch! Schlagt dem Tod, meinem Feinde, Arm und Kopf ab! Ja, Sire, wir sind von einem Gefühle beseelt, welches der künftigen Generationen Glück umspannt. Eine große Zahl Menschen, und was für Menschen, die über der Verfolgung dieses Zieles gestorben sind, haben wir begraben. Wenn wir den Fuß in ihre Stapfen setzen, arbeiten wir nicht für uns selber und können sterben, ohne das Geheimnis jemals gefunden zu haben. Und welchen Todes stirbt ein Mensch, der an kein anderes Leben glaubt! Ruhmreiche Märtyrer sind wir; wir hegen den Egoismus der ganzen Rasse in unseren Herzen, leben in unseren Nachfolgern. Indem wir immer vorwärtsschreiten, entdecken wir Geheimnisse, mit welchen wir die mechanischen und freien Künste begaben. Von unseren Schmelzöfen gehen Erleuchtungen aus, welche die Gesellschaft mit der vollkommensten Industrie versorgen. Das Pulver ist aus unseren Retorten hervorgegangen, wir werden den Blitz erobern. Unsere ständigen Nachtwachen haben politische Umwälzungen zur Folge.«
»Sollte das also möglich sein?« rief der König, der sich von neuem in seinem Stuhle aufrichtete.
»Warum nicht?« sagte der Großmeister der neuen Templer. »Tradidit mundum disputationibus! Gott hat uns die Welt ausgeliefert. Nochmals, hört es gut: der Mensch ist Herr hienieden, und die Materie gehört ihm. Alle Kräfte, alle Mittel stehen ihm zur Verfügung. Wer hat uns erschaffen? Eine Bewegung. Welche Macht unterhält das Leben in uns? Eine Bewegung. Warum sollte die Wissenschaft sich nicht dieser Bewegung bemächtigen? Nichts hienieden geht verloren, nichts kann unserem Planeten entrinnen, um anderswo hinzufliegen. Sonst würden ja die Gestirne aufeinanderfallen. Auch die Gewässer der Sintflut befinden sich innerhalb der Prinzipien, ohne daß ein einziger Tropfen ihnen abhanden kommt. Um uns her, unter uns, über uns befinden sich also Elemente, woraus die unzähligen Millionen von Menschen hervorgegangen sind, welche die Erde vor und nach der Sintflut bewohnten. Worum handelt es sich denn? Die trennende Kraft zu überraschen; dagegen überraschen wir die, welche vereinigt. Wir sind das Ergebnis einer sichtbaren Industrie. Als die Gewässer unseren Globus bedeckten, sind
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