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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Lorenz unbefangen.
    »Warum nicht?« fragte der König.
    »Sire, es ist niemandem gegeben vorauszusehen, was einer Ansammlung von einigen tausend Menschen geschehen wird. Sagen können wir, was ein Mensch tun, wie lange Zeit er leben, ob er glücklich oder unglücklich sein wird; nicht aber sagen können wir, wie mehrere vereinigte Willen operieren werden, und die Berechnung der oszillatorischen Bewegungen ihrer Interessen sind noch schwieriger, denn Interessen sind Menschen plus Dinge. Einzig in der Einsamkeit können wir die Zukunft im großen Ganzen erblicken. Der Protestantismus, der Euch verschlingt, wird seinerseits von seinen materiellen Konsequenzen verschlungen werden, welche zu ihrer Zeit als Theorien aufstehen werden. Europa hat es heute auf die Religion abgesehen, morgen wird es das Königtum angreifen.«
    »So stellte die Bartholomäusnacht also etwas Großes vor?«
    »Ja, Sire, wenn das Volk triumphiert, will es seine Bartholomäusnacht haben! Wenn Religion und Königtum niedergekämpft sind, wird das Volk es auf die Großen absehen, nach den Großen wird es sich an die Reichen heranmachen. Endlich, wenn Europa nur mehr ein Haufe konsistenzloser Menschen sein wird – konsistenzlos, weil es der Anführer entbehrt – wird es von ungeschliffenen Eroberern verschluckt werden. Zwanzigmal hat die Welt schon dies Schauspiel dargestellt und Europa führt es von neuem auf. Ideen verschlingen Jahrhunderte, wie Menschen von ihren Leidenschaften verschlungen werden. Wenn der Mensch geheilt wird, kann die Menschheit vielleicht gesunden. Die Wissenschaft ist der Menschheit Seele, wir sind ihre Oberpriester; und wer sich mit Seele befaßt, der beunruhigt sich wenig um des Leibes willen.«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?« fragte der König.
    »Wir marschieren langsam, verlieren aber keine einmal gemachte Eroberung.«
    »Also seid Ihr der König der Zauberer?« sagte der König, der gereizt war, angesichts dieses Mannes so wenig vorzustellen.
    Der imposante Großmeister warf Karl dem Neunten einen Blick zu, der ihn zu Boden schmetterte. »Ihr seid der Menschen König, ich bin der König der Ideen«, antwortete der Großmeister. »Wenn es übrigens wirkliche Zauberer gäbe, würdet Ihr sie nicht verbrannt haben«, antwortete er ironischen Tones. »Auch wir haben unsere Märtyrer.«
    »Durch welche Mittel aber könnt Ihr die Nativität stellen«, fuhr der König fort. »Wie konntet Ihr gestern wissen, daß der vor Eurem Fenster stehende Mann der französische König war? Welche Macht hat einem der Eurigen meiner Mutter ihrer drei Söhne Schicksal vorauszusagen erlaubt? Könnt Ihr, Großmeister des Ordens, der die Welt kneten will, könnt Ihr mir sagen, was die Königin, meine Mutter, in diesem Augenblicke denkt?«
    »Ja, Sire.«
    Diese Antwort ward erteilt, ehe Kosmus seinen Bruder am Mantel zupfen konnte, um ihm Schweigen aufzuerlegen.
    »Ihr wißt, warum mein Bruder, der König von Polen, zurückkehrt?«
    »Ja, Sire.«
    »Warum?«
    »Um Euren Platz einzunehmen.«
    »Unsere Nächsten sind unsere grausamsten Feinde!« schrie der König, der rasend aufsprang und den Saal mit großen Schritten durchmaß. »Könige haben weder Brüder, Söhne noch Mutter. Coligny hatte recht: meine Henker sitzen nicht in der Predigt, sie sind im Louvre. Ihr seid Lügner oder Königsmörder. Jakob, ruft Solern.«
    »Sire,« fiel Marie Touchet ein, »die Ruggieri haben Euer Edelmannswort. Ihr wolltet vom Baume der Erkenntnis essen, beklagt Euch nicht, daß es bitter schmeckt.«

Der König lächelte, einer herben Verachtung Ausdruck verleihend; er fand sein materielles Königtum klein vor dem ungeheuren intellektuellen Königtume des alten Lorenz Ruggieri. Karl der Neunte konnte kaum Frankreich regieren, der Großmeister der Rosenkreuzer gebot einer intellektuellen und unterwürfigen Welt.
    »Seid freimütig, ich verpfände Euch mein Edelmannswort, daß Eure Antwort, falls sie das Geständnis fürchterlicher Verbrechen sein möchte, sein soll, wie wenn sie niemals gegeben wurde«, fuhr der König fort. »Ihr befaßt Euch mit Giften?« »Um kennenzulernen, was Leben verleiht, muß man wohl wissen, was sterben läßt.« »Ihr besitzt das Geheimnis vieler Gifte?«
    »Ja, Sire, aber nur durch die Theorie, nicht durch die Praxis. Wir kennen sie, ohne Gebrauch davon zu machen.«
    »Hat meine Mutter Euch um welche gebeten?« fragte der König, keuchend.
    »Sire,« entgegnete Lorenz, »die Königin Katharina ist zu geschickt, als daß sie sich solcher

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