Katharina von Medici (German Edition)
verlieren hatten.
Bei den Handwerkern aber und den Leuten vom Handel war der Glaube aufrichtig und basierte auf Berechnung. Die arme Bevölkerung hing sofort einer Religion an, welche dem Staate die Kirchengüter zurückgab, welche die Klöster kassierte und der Kirche Würdenträger ihrer ungeheuren Einkünfte beraubte. Der ganze Handelsstand überschlug die Wohltat dieser religiösen Handlung und weihte sich ihr mit Körper, Seele und Börse. Bei den jungen Leuten des französischen Bürgertums aber begegnete die Predigt jener edlen Lust an Opfern jeglicher Art, welche die Jugend beseelt, die keinen Egoismus kennt. Hervorragende Männer, durchdringende Geister – und auf solche stößt man stets inmitten der Massen – errieten die Republik in der Reformation und wollten in ganz Europa die Herrschaft der vereinigten Niederlande errichten, die endlich in ihrem Kampfe gegen die größte Macht dieser Zeit, gegen Spanien, das von Philipp dem Zweiten regiert und in den Niederlanden vom Herzoge von Alba repräsentiert ward, triumphierten. Jean Hotoman brütete damals über seinem diesen ganzen Plan enthaltenden berühmten Buche, das in Frankreich den Sauerteig dieser Ideen bildete, die von der Liga von neuem aufgenommen, von Richelieu und dann von Ludwig dem Vierzehnten unterdrückt wurden, mit den Nationalökonomen, mit den Ezyklopädisten unter Ludwig dem Fünfzehnten aber wieder auftauchten. Stets von den Seitenlinien der Königsfamilie unterstützt, 1789 vom Hause Orleans wie von dem Hause Bourbon 1589 protegiert, brachen sie sich unter Ludwig dem Sechzehnten Bahn. Wer sich zur Prüfung bekennt, bekennt sich zur Empörung. Jede Empörung aber ist entweder der Mantel, unter welchem sich ein Fürst verbirgt, oder die Windel einer neuen Herrschaft. Das Haus von Bourbon, die jüngeren Söhne der Valois, rührten sich auf dem Hintergrunde der Reformation.
In dem Momente, wo die Barke unter dem Bogen der Wechslerbrücke schwamm, war die Frage durch den Ehrgeiz der Guisen, die mit den Bourbonen rivalisierten, seltsam verwickelt worden. Konnte die Krone, die dreißig Jahre lang von Katharina von Medici repräsentiert ward, auch den Kampf bestehen, wenn sie die einen gegen die anderen ausspielte? Später aber lag die Krone, anstatt von mehreren Händen hin und her gezerrt zu werden, ohne durch eine Schranke geschützt zu sein, vor dem Volke, denn Richelieu und Ludwig der Vierzehnte hatten die des Adels niedergekämpft, Ludwig der Fünfzehnte die des Parlaments niedergerissen. Wenn ein König dann allein dem Volke gegenübersteht, wie es Ludwig der Sechzehnte tat, muß er immer unterliegen.
Sehr gut repräsentierte Christoph Lecamus den hitzigen und hingebungsvollen Teil des Volkes: sein bleiches Antlitz hatte jene grelle und lebhafte Hautfarbe, die bestimmte blonde Menschen auszeichnet. Seine Haare spielten ins Messinggelb. Seine graublauen Augen funkelten; nur in ihnen spiegelte sich seine schöne Seele,– denn sein schlecht umrissenes Gesicht verdeckte die Unregelmäßigkeit seiner etwas dreieckigen Kopfform nicht, – mit jener edlen Miene, welche Menschen von Erziehung sich zu geben wissen. Seine niedrige Stirne kündigte nichts als große Energie an. Nur in seiner etwas eingefallenen Brust schien das Leben seinen Anfang zu nehmen. Mehr Nervenmensch als Sanguiniker bot Christoph dem Blick eine aderige, magere, aber feste Fleischlichkeit dar. Seine spitze Nase verriet volkstümliche Schlauheit, wie seine Physiognomie auf eine Intelligenz schließen ließ, die wohl imstande war, sich auf einen Punkt im Umkreise zu konzentrieren, ohne die Fähigkeit zu besitzen, dessen Spannweite zu überblicken. Seine Augen, deren bogenförmige, kaum mit weißem Flaum bedeckte Braue wie ein Wetterdach vorsprang, wurden von einem blaßblauen Bande lebhaft eingekreist. Leuchtend weiß schimmerten sie an der Nasenwurzel, was fast immer auf eine maßlose Exaltation hindeutet. Sehr wohl konnte Christoph das Volk darstellen, das sich hingibt, das kämpft und sich täuschen läßt; geistig genug war er, um eine Idee zu begreifen und ihr zu dienen, allzu vornehm, um einen Nutzen aus ihr zu ziehen, und zu edelmütig, um sich zu verschachern.
An Ehren Lecamus' einzigen Sohnes Seite stellte Chaudieu, jener hitzige, durch Nachtwachen abgezehrte Prediger mit braunen Haaren, mit gelber Hautfarbe, der kriegerischen Stirne, dem beredten Munde, den braunen Flammenaugen, dem kurzen edlen Kinn sehr wohl jenen Christenglauben vor, welcher der Reformation
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