Katharina von Medici (German Edition)
so viele fanatische und ehrliche Seelenhirten zuführte, deren Geist und Mut die Völker entflammte. Calvins und Theodor von Bezas Adjutant stach wunderbar gegen den Kürschnersohn ab. Wahrlich stellte er die lebendige Ursache dar, deren Wirkung sich an Christoph zeigte. Besser würde man sich den anfeuernden Führer der Volksmaschinen nicht vorstellen können.
Der Schiffer, ein ungestümer, in frischer freier Luft gebräunter Mann, der im Tau der Nächte und bei den Feuern des Tages gestählt war, mit geschlossenem Munde, der schnellen Geste, dem Orangeauge, das hungrig ist wie das eines Geiers, und mit den schwarzen krausen Haaren stellte gut den Abenteurer dar, der alles an eine Sache setzt, wie der Spieler sein Vermögen auf eine Karte. Alles an ihm offenbarte schreckliche Leidenschaften und einen Mut, der vor nichts zurückweicht. Seine zähen Muskeln waren wie geschaffen, um ebensowohl Schweigen zu gebieten, als auch zum Reden zu bringen. Er besaß eine mehr kühne als edle Miene. Seine stolze, wiewohl schmale Nase trachtete nach Kampf. Zu jedweder Zeit hätte man ihn für ein Parteihaupt gehalten. Hätte es damals keine Reformation gegeben, würde er Pizarro, Ferdinand Cortez oder Morgan der Würger, irgendeine gewalttätige Natur gewesen sein.
Der auf einer Bank sitzende, in seinen Mantel eingehüllte Unbekannte gehörte augenscheinlich der höchsten Gesellschaftsklasse an. Die Feinheit seiner Wäsche, der Schnitt, der Stoff und der Duft seiner Kleidung, Form und Leder seiner Handschuhe deuteten auf einen Hofmann, so wie seine Pose und Kühnheit, seine Ruhe und sein Blick den Krieger verkündeten. Sein Anblick wirkte sofort beruhigend und forderte zum Respekt heraus. Man respektiert einen Menschen, der sich selbst respektiert. Klein und bucklig, wie er war, machte sein Anstand im Nu die Nachteile seiner Gestalt wett. War das Eis einmal gebrochen, so besaß er eine frohe Entschiedenheit und eine unbeschreibliche Munterkeit, die ihn jedem liebenswert machte. Er hatte blaue Augen, die Hakennase des Hauses Navarra und den spanischen Schnitt jenes so stark akzentuierten Gesichtes, welches der Typ der Bourbonenkönige werden sollte.
Kurz, die Szene gewann eine ungeheure Bedeutung. »Nun also«, sagte Chaudieu im Augenblicke, da der junge Lecamus seinen Satz beendigte; »dieser Fährmann ist la Renaudie; und hier der gnädige Herr, der Prinz von Condé«, fügte er, auf den kleinen Buckligen weisend, hinzu.
So repräsentieren diese vier Männer des Volkes Glauben, die Klugheit des Wortes, des Soldaten Hand und das im Dunkel verborgene Königtum.
»Ihr sollt wissen, was wir von Euch erwarten«, fuhr der Prediger fort, nachdem er eine kleine Pause für das Erstaunen des jungen Lecamus gelassen hatte. »Damit Ihr keinen Irrtum begeht, sehen wir uns genötigt, Euch in die wichtigsten Geheimnisse der Reformation einzuweihen.«
Der Prinz und la Renaudie setzten des Predigers Wort durch eine Geste fort. Der aber hatte geschwiegen, um den Prinzen, wenn er wollte, selber reden zu lassen. Wie alle großen Herren, die sich in Komplotte eingelassen haben und deren System darin besteht, sich erst im entscheidenden Augenblicke zu zeigen, wahrte der Prinz Schweigen, nicht aus Feigheit: in solcher Lage der Dinge war er die Seele der Verschwörung, schreckte vor keiner Gefahr zurück und setzte sein Haupt aufs Spiel. Doch einer Art königlicher Würde zufolge überließ er die Erklärung dieses Unternehmens dem Prediger und begnügte sich damit, das neue Instrument, dessen man sich bedienen mußte, zu studieren.
»Mein Kind,« sagte Chaudieu in der Sprache der Hugenotten, »wir wollen der römischen Hure eine erste Schlacht liefern. In einigen Tagen werden unsere Streiter auf den Blutgerüsten sterben oder die Guisen haben zu leben aufgehört. Bald also werden der König und die beiden Königinnen sich in unserer Macht befinden. Das ist das erste zu den Waffen Greifen unserer Religion in Frankreich, und Frankreich wird die Waffen erst niederlegen, wenn es völlig besiegt worden ist: es handelt sich um die Nation, müßt Ihr verstehn, und nicht um das Königtum. Die meisten Großen des Königreichs sehen es in dem Kardinal von Lothringen und dem Herzoge, seinem Bruder, oder wollen, daß sie es erlangen. Unter dem Vorwande, die katholische Religion zu verteidigen, will das Haus Lothringen die Krone Frankreichs als sein Erbteil reklamieren. Auf die Kirche sich stützend, hat es sie zu einem furchtbaren Verbündeten gemacht, es
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