Katharina von Medici (German Edition)
ihren Gehilfen, ihren Lehrburschen und ihren Arbeitern unterstützt. In dem Vorsteher der Kaufmannschaft besaßen die Bürger ein Oberhaupt, welches sie befehligte, und im Stadthause einen Palast, in dem sie sich rechtlicherweise versammeln konnten. In diesem berühmten Sprechsaal der Bürger wurden feierliche Entschlüsse gefaßt. Ohne die ständigen Opfer, welche den ihrer Verluste und des Hungers müden Körperschaften den Krieg unerträglich gemacht hatten, würde Heinrich der Vierte, dieser endlich König gewordene Aufwiegler, vielleicht niemals in Paris eingezogen sein.
Leicht wird jeder sich jetzt die Physiognomie dieses Winkels des alten Paris ausmalen können, wo heute die Brücke und das Quai sich winden, wo die Bäume des Blumenquais ragen und wo von dieser Zeit nichts weiter aufrecht steht als der hohe und berühmte Gerichtspalastturm, von dem aus das Zeichen für die Bartholomäusnacht gegeben wurde. Eine seltsame Sache! Eines der am Fuße dieses damals von hölzernen Butiken umgebenen Turmes liegenden Häuser, das Lecamussche, sollte eines der Geschehnisse aufkeimen sehen, welche diese Nacht des Niedermetzelns vorbereiteten, die dem Calvinismus unglücklicherweise mehr zum Vorteil gereichte, als verhängnisvoll ward. Im Augenblick, wo diese Geschichte anhebt, versetzte die Kühnheit der neuen Religionslehren Paris in Gärung. Ein Schottländer namens Stuart hatte gerade den Präsidenten Minard, jenes der Parlamentsmitglieder, ermordet, welchem die öffentliche Meinung die größte Schuld an der Höllenstrafe des Rates Anne von Bourg beimaß. Auf dem Grèveplatze war er nach dem Kleidermacher des seligen Königs, den Heinrich der Zweite und Diana von Poitiers in ihrer Gegenwart auf die Folter hatten spannen lassen, verbrannt worden. Paris war so überwacht, daß Häscher Vorübergehende zwangen, vor der Madonna zu beten, um die Ketzer ausfindig zu machen, die sich widerwillig dazu herbeiließen oder eine Handlung, die ihrer Überzeugung entgegen war, gar verweigerten.
Die beiden Häscher, welche die Ecke des Lecamusschen Hauses innegehabt hatten, waren eben fortgegangen; also hätten Christoph, des Kürschners Sohn, der in dem lebhaftesten Verdachte stand, dem Katholizismus abtrünnig zu werden, ausgehen können, ohne fürchten zu müssen, daß sie ihn der Jungfrau Bild anbeten ließen. Um sieben Uhr abends brach im April 1560 die Nacht herein. Als die Lehrlinge keinen Menschen mehr unter den Lauben der rechten und linken Straßenseite gehen sahen, trugen sie die zur Auswahl ausliegenden Waren hinein, um Laden und Haus zu schließen. Christoph Lecamus, ein feuriger zweiundzwanzigjähriger junger Mann, stand auf der Türschwelle und war anscheinend damit beschäftigt, die Lehrlinge zu beaufsichtigen.
»Herr,« sagte einer von ihnen zu Christoph, auf einen Mann hindeutend, der mit unentschiedener Miene unter der Galerie auf und nieder schritt, »das ist vielleicht ein Dieb oder ein Spion; auf jeden Fall aber kann dieser Lumpenkerl kein anständiger Mensch sein: wenn er etwas Geschäftliches mit uns zu sprechen hätte, würde er offen zu uns treten, statt hinundher zu schwänzeln, wie ers tut ... Und welch eine Miene er macht!« fügte er, den Unbekannten nachäffend, hinzu. »Wie er die Nase in seinen Mantel steckt! Welch ein gelbes Auge, welch eine Hungerleidermiene er hat!«
Als der also von dem Lehrling geschilderte Unbekannte Christoph allein auf der Ladenschwelle sah, verließ er schnell die entgegengesetzte Laube, unter der er lustwandelte, kam quer über die Straße, trat unter den Laubengang des Lecamusschen Hauses und erreichte den jungen Mann, den Laden entlang gehend, ehe die Lehrlinge noch zurückkehrten, um die Fensterläden zu schließen.
»Ich bin Chaudieu!« sagte er mit leiser Stimme.
Als Christoph den Namen eines der berühmtesten Diener und der ergebensten Schauspieler des schrecklichen, die Reformation genannten, Dramas hörte, zitterte er wie ein treuer Bauer, seinen verkleideten König erkennend, gezittert haben würde.
»Ihr wollt vielleicht Pelze sehen? ... Wiewohl es beinahe Nacht ist, will ich Euch selber welche zeigen«, sagte Christoph, um die Lehrlinge hinters Licht zu führen, als er sie in seinem Rücken hörte.
Mit einer Handbewegung forderte er den Prediger auf näher zu treten; der aber erwiderte ihm, daß er sich lieber draußen mit ihm unterhalten wolle. Christoph holte seine Mütze und folgte dem Schüler Calvins.
Wiewohl er durch ein Edikt verbannt worden war,
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