Katharina von Medici (German Edition)
kam und ging Chaudieu als geheimer Bevollmächtigter Theodor von Bezas und Calvins, die von Genf aus die französische Reformation leiteten, indem er der grausamen Todesstrafe trotzte, zu der im Einverständnis mit Kirche und Königtum das Parlament, um ein schreckliches Exempel zu statuieren, eines seiner Mitglieder, den berühmten Anne von Bourg, verurteilt hatte. Dieser Prediger, der einen Hauptmann, einen der besten Soldaten des Admirals Coligny, zum Bruder hatte, war einer der Arme, womit Calvin Frankreich zu Beginn des zweiundzwanzigjährigen Religionskrieges, der damals gerade vorm Aufflammen stand, aufrüttelte. Dieser Prediger war eines jener heimlichen Triebwerke, durch welche man sich die riesige Aktion der Reformation am besten zu erklären vermag.
Chaudieu ließ Christoph auf einem unterirdischen Wege, ähnlich der Arche Marion, die vor etwa zehn Jahren zugeschüttet ward, an den Rand des Wassers hinabsteigen. Diese Passage lag zwischen dem Lecamusschen und dem Nachbarhause, befand sich unter der alten Kürschnerstraße und hieß die Fellhändlerbrücke. In Wirklichkeit war sie dazu da, daß die Färber der Altstadt ihre Garne, ihre Seiden und ihre Stoffe waschen konnten. Eine kleine Barke lag dort, von einem einzigen Schiffer bewacht und geführt. Am Bug stand ein Unbekannter von niedriger Statur; er war sehr einfach gekleidet. In einem Augenblick war die Barke inmitten der Seine, der Schiffer lenkte sie unter einen der Holzbogen der Wechslerbrücke, wo er sie hurtig an einem Eisenring festmachte. Noch hatte niemand etwas gesprochen.
»Hier können wir ohne Furcht reden, hier gibt's weder Spione noch Verräter«, erklärte Chaudieu, die beiden Unbekannten anschauend. »Seid Ihr voll jener Ergebenheit, welche Märtyrer beseelen muß? Seid Ihr bereit, um unserer heiligen Sache willen alles zu erdulden? Habt Ihr Furcht vor den Höllenstrafen, welche des seligen Königs Schneider und der Rat von Bourg erlitten haben und die der meisten von uns harren?« fragte er Christoph, ihm ein strahlendes Antlitz weisend.
»Ich werde mich zum Evangelium bekennen«, antwortete Lecamus einfach, zu des Hinterladens Fenstern aufschauend. Die häusliche Lampe war auf den Tisch gesetzt worden, an welchem sein Vater zweifellos seine Handelsbücher wälzte, und erinnerte ihn mit ihrem Leuchten an die Familienfreuden und das friedliche Leben, worauf er Verzicht leistete. Es war eine schnell vorübergehende, aber vollkommene Vision. Der junge Mann umspannte mit seinem Blick dies Stadtviertel voll bürgerlicher Harmonie, wo seine glückliche Kindheit verstrichen war, wo Babette Lallier, seine Braut, lebte, wo alles ihm ein süßes und ausgefülltes Dasein vorhersagte. Er sah die Vergangenheit, sah seine Zukunft und opferte alles oder setzte zum mindestens alles aufs Spiel. So waren die Menschen jener Zeit.
»Gehen wir nicht weiter,« sagte der gebieterische Schiffer; »wir erkennen ihn als einen unserer Heiligen an! Wenn der Schottländer nicht den Streich geführt hätte, würde er den ruchlosen Präsidenten Minard getötet haben.«
»Ja«, sagte Lecamus. »Mein Leben gehört der Kirche, und mit Freuden geb ich es für den Triumph der Reformation her, über die ich ernsthaft nachgedacht habe. Ich weiß, was wir für das Glück der Völker tun. In zwei Worten: der Papismus führt zum Zölibat und die Reformation führt zur Familie. Zeit ist's, Frankreich von seinen Mönchen abzuraupen und ihre Güter der Krone zurückzugeben, die sie früher oder später der Bourgeoisie verkaufen wird. Für unsere Kinder und um unsere Familien eines Tages frei und glücklich zu sehen, wissen wir zu sterben.«
Des jungen Enthusiasten, Chaudieus, des Schiffers und des auf der Bank sitzenden Unbekannten Antlitz, erhellt von den letzten Gluten der untergehenden Sonne, bildeten ein Gemälde, das um so mehr beschrieben werden muß, als diese Beschreibung die ganze Geschichte jener Zeit umspannt, wenn es wahr ist, daß es gewissen Menschen gegeben ist, den Geist ihres Jahrhunderts in sich zusammenzufassen.
Die von Luther in Deutschland, von Johann Knox in Schottland, von Calvin in Frankreich angestrebte religiöse Reform bemächtigte sich hauptsächlich der unteren Volksklassen, die ihr Gedanke durchdrungen hatte. Große Herren unterstützten diese Bewegung nur, um Interessen zu dienen, die der religiösen Sache fremd waren. Mit diesen verschiedenen Parteien verbanden sich Abenteurer, ruinierte Edelleute und die jüngeren Söhne, die nichts zu
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