Katharina von Medici (German Edition)
bemächtigen, erklären die Erniedrigung dieses Hauses, in welcher es unter Ludwig dem Dreizehnten und Ludwig dem Vierzehnten verharrte, als der plötzliche Tod der Henriette von England ganz Europa sagte, bis zu welch ruchloser Rolle ein Chevalier von Lothringen sich erniedrigt hatte. Sich die Erben der um die Krone gebrachten Karolinger nennend, behandelten Kardinal und Herzog Katharina von Medici, ihrer Nichte Schwiegermutter, auf die schnödeste Weise. Die Herzogin von Guise ersparte Katharinen keine tödliche Beleidigung. Die Herzogin war eine Este und Katharina eine Medici, die Tochter emporgekommener Florentiner Kaufleute, welche Europas Souveräne noch nicht in ihre königliche Brüderschaft aufgenommen hatten. Auch Franz der Erste hatte seines Sohnes Heirat mit einer Medici für eine Mesallianz erachtet und sie nur in dem Glauben gestattet, daß sein Sohn niemals Dauphin werden würde. Daher seine Wut, als der Thronfolger, von dem Florentiner Montecuculi vergiftet, starb. Die Este weigerten sich, die Medici als italienische Fürsten anzuerkennen. Diese ehemaligen Kaufherrn wollten tatsächlich in jenen Zeiten das unmögliche Problem eines von republikanischen Institutionen umgebenen Thrones lösen.
Der Titel Großherzog ward erst sehr spät von Philipp dem Zweiten den Medici verliehen, die ihn sich kauften, indem sie Frankreich, das ihr Wohltäter war, verrieten. Sie erlangten ihn durch eine sklavische Anhänglichkeit an den spanischen Hof, der ihnen heimlich überall in Italien entgegenarbeitete.
»Liebkost nur eure Feinde!« Dies große Wort Katharinas scheint das politische Gesetz dieser Kaufmannsfamilie gewesen zu sein, der es an bedeutenden Männern erst im Augenblicke gebrach, als ihr Schicksal groß wurde, und die ein wenig zu schnell jener Entartung erlag, durch welche sowohl Königsgeschlechter wie vornehme Familien endigen.
Drei Generationen über hat es einen Lothringer gegeben, der ein Kriegsheld, und einen Lothringer, der ein Kirchenmann war; was aber vielleicht nicht minder ungewöhnlich ist, der Kirchenmann zeigte stets, wie es damals der Kardinal auf seinem Antlitze zeigte, eine Ähnlichkeit mit Ximenes' Antlitz, dem auch der Kardinal von Richelieu geglichen hat. Diese fünf Kardinäle haben alle ein zugleich verschlagenes und schreckliches Gesicht gehabt, während das Antlitz des Kriegsmannes den baskischen und im Gebirge üblichen Typ besaß, den man in gleicher Weise auch auf Heinrichs des Vierten Antlitz sah. Der Guisen Antlitz aber bedeckte ein und dieselbe Verwundung bei Vater und Sohn mit Schmarren, ohne ihnen die Anmut und Leutseligkeit zu nehmen, durch welche sie die Soldaten ebensosehr wie durch ihre Tapferkeit verführten.
Nicht überflüssig ist's zu sagen, wo und wie der Großmeister diese Wunde erhielt, denn sie ward durch den Mut einer der Personen dieses Dramas, durch Ambrosius Paré, den Schuldner des Syndikus der Kürschnerzunft, geheilt. Bei der Belagerung von Calais wurde des Herzogs Gesicht von einer Seite bis zur anderen von einer Lanze durchbohrt, deren Stummel aber, nachdem er unterhalb des rechten Auges die Wange durchdrungen hatte, bis ins Genick unterhalb des rechten Ohres drang und im Gesichte stecken blieb. Inmitten allgemeiner Verzweiflung lag der Herzog in seinem Zelte und würde ohne Ambrosius Parés kühne Handlung und Aufopferung gestorben sein.
»Der Herzog ist nicht tot, meine Herren«, sagte Ambrosius, die Anwesenden anblickend, die in Tränen vergingen; »wird aber bald sterben«, fuhr er, sich sammelnd fort, »wenn ich ihn nicht wie irgendeinen Lümmel zu behandeln wage; und ich werde mich daran machen, was immer auch mit mir geschehen möge! Sehet her!«
Und er stemmte den linken Fuß auf des Herzogs Brust, faßte das Holz der Lanze mit seinen Nägeln, erschütterte es nach und nach, und es gelang ihm schließlich das Eisen aus dem Kopfe zu ziehen, wie wenn es sich um eine Sache und nicht um einen Menschen gehandelt hätte. Wenn er den so kühnlich behandelten Fürsten auch heilte, verhindern konnte er es nicht, daß ihm im Gesicht die furchtbare Wunde zurückblieb, welche ihm seinen Beinamen verschaffte. Aus einer ähnlichen Ursache ward dieser Beiname auch der seines Sohnes.
Da sie in jeder Beziehung die Herren des Königs Franz des Zweiten waren, den seine Frau durch eine auf Gegenseitigkeit beruhende maßlose Liebe beherrschte, woraus sie auch noch ihren Vorteil zu ziehen wußten, regierten diese beiden großen lothringischen Fürsten damals
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