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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beiden Königinnen, wie wenn man irgendwelche Worte durch die drei Fuß starken Mauern, durch beide Türen und die reichen Vorhänge, die sie einhüllten, aufschnappen könnte.
    Oben an dem langen, mit blauem Sammet bedeckten Tisch, der sich in Saales Mitte befand, saß der König, neben ihm hatte die junge Königin Platz genommen; er wartete auf seine Mutter. Robertet schnitt seine Federn. Die beiden Kardinäle, der Großmeister, der Kanzler, der Großsiegelverwahrer, kurz die ganze Ratsversammlung blickte den kleinen König an und fragte sich, warum er nicht Befehl zum Platznehmen gäbe.
    »Wird man in Abwesenheit der Frau Königin-Mutter beraten?« forschte dann der Kanzler, sich an den jungen König wendend.
    Die beiden lothringischen Fürsten schrieben Katharinas Abwesenheit irgendeiner List ihrer Nichte zu. Gereizt überdies durch einen bedeutsamen Blick sagte der kühne Kardinal zum König:
    »Ist es des Königs allergnädigster Wille, daß man ohne seine Frau Mutter beginne?«
    Ohne eine Erklärung zu wagen, antwortete Franz der Zweite:
    »Nehmet Platz, meine Herren.«
    Der Kardinal setzte unverzüglich die Gefahren der Lage auseinander. Dieser große Politiker, welcher unter solchen Umständen von erstaunlicher Geschicklichkeit war, brachte inmitten des tiefen Schweigens der Anwesenden die Rede auf die Reichsverweserschaft. Zweifelsohne fühlte der junge König einen Druck und erriet, daß seine Mutter das Gefühl vom Rechte der Krone und die Kenntnis von der Gefahr besitze, worin seine Macht schwebe. Auf eine positive Frage des Kardinals antwortete er dann:
    »Erwarten wir die Königin, meine Mutter.«
    Verdutzt durch die unbegreifliche Verzögerung der Königin Katharina vereinigte Maria Stuart plötzlich zu einem einzigen Gedanken drei Umstände, deren sie sich lebhaft erinnerte. Zuerst den Umfang und die Dicke der ihrer Schwiegermutter präsentierten Rechnungen, was sie frappiert hatte, so zerstreut wie sie auch gewesen war. Denn ein Weib, das nichts zu sehen scheint, ist wie ein Luchs. Dann die Stelle, wo Christoph sie untergebracht hatte, um sie von den ihrigen zu trennen. ›Warum das?‹ fragte sie sich.
    Endlich erinnerte sie sich des frostigen Blickes des jungen Mannes, welchen sie plötzlich dem Hasse der Protestanten wider die Guisennichte zuschrieb. Eine Stimme rief in ihr: Sollte er nicht ein Abgesandter der Hugenotten sein?
    Wie lebhafte Naturen ihrer ersten Bewegung gehorchend, sagte sie:
    »Ich selber werde meine Mutter holen.«
    Dann eilte sie jählings hinaus, stürzte zum größten Erstaunen der Höflinge und der Damen nach der Treppe, eilte zu ihrer Schwiegermutter hinunter, durchquerte dort den Wachensaal, öffnete die Zimmertür mit Diebesvorsicht, glitt wie ein Schatten über den Teppich und bemerkte sie nirgends. Sie gedachte sie in dem köstlichen Kabinette zu überraschen, das sich zwischen diesem Zimmer und dem Betgemach befand. Noch heute erkennt man vollkommen genau die Anordnungen dieses Betraumes wieder, dem die Sitten jener Epoche im privaten Leben die Rolle verliehen hatten, die heute ein Boudoir spielt.
    Durch einen, man muß schon sagen unerklärlichen Zufall – wenn man an den Zustand des Verfalls denkt, worin die Krone dies Schloß gelassen hat – existiert das wunderbare Getäfel in Katharinas Kabinett noch und in diesem wunderbar geschnitzten Getäfel können Neugierige noch in unseren Tagen die Spuren italienischen Glanzes und die Verstecke sehen, welche die Königin-Mutter dort eingerichtet hatte. Eine genaue Beschreibung dieser Merkwürdigkeiten ist sogar notwendig für das Verständnis dessen, was sich hier ereignen sollte. Dies Getäfel war damals aus etwa einhundertachtzig kleinen oblongen Füllungen zusammengesetzt, wovon etwa noch hundert existieren. Alle zeigen sie dem Blicke Arabesken von verschiedener Art, zu denen augenscheinlich die reizendsten Italiens als Vorbild genommen wurden. Das Getäfel besteht aus Eichenholz. Das Rot, welches man unter dem Kalkanstrich findet, den man – eine höchst zwecklose Vorsichtsmaßregel – der Cholera wegen hat machen lassen, zeigt zur Genüge an, daß der Fond der Füllungen vergoldet war. Die Stellen, wo das Ätzmittel fehlt, lassen vermuten, daß bestimmte Teile des Musters sich in blauer, roter oder grüner Farbe von der Vergoldung abhoben. Die Menge dieser Füllungen offenbart deutlich die Absicht, die Nachforschungen zu täuschen; wenn man aber daran zweifeln möchte, zeigt der Schloßkastellan, indem er

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