Katharina von Medici (German Edition)
fortfahrt, Eure verlieren könntet.«
In diesem Augenblicke öffnete Dayelle Christoph die Türe, welchen der erste Chirurg selber anmeldete.
Der Reformierte wollte Katharinas Antlitz studieren, indem er eine Verwirrung heuchelte, die an einem solchen Orte ziemlich natürlich ist. Überrascht aber ward er von der Lebhaftigkeit der Königin Maria, die nach den Kartons sprang, um ihre Schaube zu sehen.
»Madame ...« sagte Christoph, sich an die Florentinerin wendend.
Der anderen Königin und Dayelle wandte er den Rücken zu und wollte schnell die Aufmerksamkeit, welche die beiden Frauen den Pelzsachen widmeten, benutzen, um alles zu wagen.
»Was wollt Ihr von mir?« sagte Katharina, ihm einen durchbohrenden Blick zuwerfend.
Christoph trug den vom Prinzen von Condé vorgeschlagenen Vertrag, den Plan der Reformierten und die Einzelheiten über ihre Kräfte zwischen seinem Hemd und dem tuchenen Knierock auf dem Herzen, hatte sie aber in die Rechnung eingewickelt, die Katharinas Schulden bei dem Kürschner enthielt.
»Madame,« sagte er, »mein Vater befindet sich in furchtbaren Geldverlegenheiten, und wenn Ihr geruhen wolltet einen Blick auf Eure Rechnungen zu werfen,« fügte er, das Blatt entfaltend und den Vertrag oben drauf legend, hinzu, »würdet Ihr sehen, daß Eure Majestät ihm sechstausend Taler schulden. Seid gütig und habt Mitleid mit uns. Sehet her, Madame!«
Und er streckte ihr den Vertrag hin.
»Leset. Dies hier datiert von der Thronbesteigung des verstorbenen Königs her.«
Katharina war verblüfft durch die Einleitung des Vertrages; doch verlor sie den Kopf nicht. Lebhaft rollte sie das Papier zusammen, indem sie des jungen Mannes Geistesgegenwart bewunderte. Nach diesem Meisterstreich fühlte sie, daß sie verstanden werden würde, und schlug ihn mit der Papierrolle an den Kopf.
»Recht ungeschickt seid Ihr, mein kleiner Freund, die Rechnung eher als die Pelzsachen zu präsentieren. Lernt die Frauen besser kennen. Unsere Rechnungen muß man uns immer erst in dem Momente überreichen, wo wir befriedigt sind.«
»Ist das eine Tradition?« fragte die junge Königin ihre Schwiegermutter.
Die entgegnete nichts.
»Ach, edle Frauen, entschuldigt meinen Vater«, sagte Christoph. »Wenn er kein Geld nötig hätte, würdet Ihr Eure Pelzwerke nicht bekommen haben. Die Länder stehen unter Waffen, und es war so gefährlich auf den Straßen einherzuziehen, daß es schon unserer ganzen Trostlosigkeit für mich bedurfte, um hierherzukommen. Nur ich allein wollte mich daran wagen.«
Der Bursche ist ein Original, sagte Maria Stuart lächelnd.
Zum besseren Verständnis dieser kleinen, so wichtigen Szene ist es nicht überflüssig darauf hinzuweisen, daß eine Schaube eine Art enganschließender Spenzer ist, den die Frauen über ihre Taille ziehen und der sie bis an die Hüften einhüllt, indem er ihre Umrisse hervortreten läßt. Dies Kleidungsstück schützte Rücken, Brust und Hals gegen Kälte.
Die Schauben waren innen mit Pelz gefüttert, welcher den Stoff mit einem mehr oder minder breiten Saum verbrämte. Als Maria Stuart ihre Schaube anprobierte, betrachtete sie sich in einem hohen venezianischen Spiegel, um zu sehen, wie sie von hinten wirke; so hatte sie ihrer Schwiegermutter die Möglichkeit gelassen, die Papiere, deren Umfang ohne diesen Umstand ihr Mißtrauen erregt haben würden, bequem zu überfliegen.
»Erzählt man denn jemals Frauen von den Gefahren, die man gelaufen ist, um sie zu sehen, wenn man heil und gesund vor ihnen steht?« sagte sie, sich Christoph zuwendend.
»Ach, Madame, Eure Rechnung hab ich auch bei mir«, erklärte er, sie mit gut gespielter Albernheit anschauend.
Die junge Königin maß ihn mit einem Blicke, ohne das Papier hinzunehmen, und bemerkte, ohne im Moment jedoch auch nur die mindeste Konsequenz daraus zu ziehen, daß er der Königin Katharina Rechnung aus seinem Busen gezogen hatte, während er die ihrige aus der Tasche holte. Auch sah sie ferner in dieses Burschen Augen nicht jene Bewunderung, die ihr Anblick bei jedermann erweckte. Sie war aber so sehr mit ihrer Schaube beschäftigt, daß sie sich nicht gleich fragte, woher solche Gleichgültigkeit stammen möchte.
»Nimm, Dayelle,« sagte sie zu ihrer Kammerfrau, »du sollst die Rechnung Herrn von Versailles (Loménie) geben und ihm von meiner Seite sagen, daß er sie bezahlen möge.«
»Oh, Madame, wenn Ihr mir nicht eine Zahlungsanweisung vom Könige oder von dem gnädigen Herrn Großmeister, der sich
Weitere Kostenlose Bücher