Katharina von Medici (German Edition)
wollt, daß ich mir eine solche Freiheit nicht herausnehmen würde, wenn nicht Dinge von höchster Wichtigkeit vor sich gegangen wären ... Geht, Pardaillan ... Was dich anlangt, Lewiston, so wache über diesen reformierten Verräter«, sagte sie, auf Christoph deutend, zu dem Schotten in ihrer Muttersprache. Die junge Königin und die Königin-Mutter wahrten bis zu der Fürsten und des Königs Ankunft ihr Schweigen. Dieser Moment war furchtbar.
Maria Stuart hatte ihrer Schwiegermutter, und zwar in ihrer ganzen Spannweite, die Rolle entdeckt, die ihre Oheime sie spielen ließen. Ihr gewöhnliches und ständiges Mißtrauen hatte sich verraten, und ihr junges Gewissen fühlte, wie entehrend solch ein Metier für eine große Königin war. Katharina ihrerseits hatte sich eben aus Angst preisgegeben und fürchtete durchschaut zu sein; sie bebte für ihre Zukunft. Jede dieser beiden Frauen – die eine voller Scham und Zorn, die andere hassend und ruhig – trat in die Fensternische, sich dort anlehnend, die eine rechts, die andere links. Aber sie drückten ihre Gefühle in so beredten Blicken aus, daß sie die Augen niederschlugen und es durch einen Kunstgriff doch fertigbrachten, den Himmel durch das Fenster zu beschauen. Die beiden so hochstehenden Frauen besaßen im Augenblick nicht mehr Geist als die vulgärsten. Vielleicht geht das immer so zu, wenn Umstände Menschen schier zermalmen. Stets gibt es einen Moment, wo selbst das Genie angesichts großer Katastrophen seine Kleinheit fühlt. Was Christoph anlangt, so war er nur noch ein Mensch, der in einen Abgrund rollt, Lewiston, der schottländische Hauptmann, belauschte dies Schweigen und betrachtete Kürschnersohn und beide Königinnen mit soldatischer Neugier. Des jungen Königs und seiner beiden Oheime Eintritt machte dieser peinlichen Situation ein Ende. Der Kardinal ging gleich zu der Königin-Mutter.
»Ich halte alle Fäden der ketzerischen Verschwörung in den Händen, sie sandten mir dies Kind, welches mir den Vertrag und die Dokumente hier brachte«, sagte Katharina mit leiser Stimme zu ihm. Während der Zeit, in welcher Katharina sich mit dem Kardinal verständigte, flüsterte die Königin Maria dem Großmeister einige Worte ins Ohr.
»Worum handelt es sich?« fragte der junge König, der inmitten dieser heftigen aufeinander prallenden Interessen allein blieb.
»Die Beweise dessen, was ich Eurer Majestät sagte, haben nicht auf sich warten lassen«, erklärte der Kardinal, welcher nach den Papieren griff.
Der Herzog von Guise nahm seinen Bruder beiseite, ohne sich darum zu kümmern, ob er ihn unterbräche, und raunte ihm ins Ohr:
»Dieser Streich macht mich widerstandslos zum Reichsverweser.«
Ein feiner Blick bildete des Kardinals ganze Antwort; damit ließ er seinen Bruder verstehen, daß er sich bereits aller Vorteile, die aus Katharinas falscher Stellung zu ziehen waren, bemächtigt habe.
»Wer hat Euch geschickt?« sagte der Herzog zu Christoph.
»Der Prediger Chaudieu«, antwortete der.
»Du lügst, junger Mann«, rief der Kriegsheld lebhaft, »der Prinz von Condé tat es.«
»Der Prinz von Condé, gnädiger Herr?« antwortete Christoph mit erstaunter Miene, »dem bin ich nie begegnet. Ich bin Jurist, studiere bei Herrn von Thou, ich bin sein Sekretär, und er weiß nicht, daß ich reformiert bin. Ich habe des Predigers Bitten nachgegeben.«
»Genug«, erklärte der Kardinal. »Ruft Herrn von Robertet,« sagte er zu Lewiston, »denn dieser junge Schelm ist listiger als alte Politiker, er hat uns getäuscht, meinen Bruder und mich, der ich ihm ohne Beichte das Abendmahl würde gegeben haben.«
»Du bist kein Kind, potzblitz,« schrie der Herzog, »und wir werden dich wie einen Mann behandeln.«
»Man wollte Eure erlauchte Mutter verführen«, sagte der Kardinal, sich an den König wendend. Er wollte ihn beiseite ziehen, um ihn für seine Absichten gefügig zu machen.
»Ach!« antwortete die Königin ihrem Sohne, eine vorwurfsvolle Miene annehmend, indem sie ihn in dem Momente zurückhielt, wo ihn der Kardinal ins Betzimmer führen wollte, um ihn seiner gefährlichen Beredsamkeit zu unterwerfen; »da seht Ihr, wie die Situation wirkt, in welcher ich mich befinde: man hält mich des wenigen Einflusses wegen, den ich auf die öffentlichen Angelegenheiten habe, für gereizt, mich, die Mutter von vier Prinzen aus dem Hause Valois!«
Der junge König wurde aufmerksam. Als Maria Stuart sah, wie des Königs Stirn sich in Falten legte, nahm sie
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