Katharina von Medici (German Edition)
ihn mit sich und führte ihn in die Fensternische, wo sie ihn mit süßen Worten liebkoste. Sie sprach sie mit leiser Stimme; zweifellos glichen sie denen, die sie vorhin bei seinem Aufstehen an ihn richtete. Die beiden Brüder lasen dann die von der Königin Katharina ausgelieferten Papiere. Als sie dort Aufschlüsse fanden, von denen ihre Spione, Herr von Braguelonne, der Kriminalleutnant des Châtelet, nichts wußten, waren sie versucht, an Katharina von Medicis Aufrichtigkeit zu glauben. Robertet kam und empfing einige Christoph anlangende heimliche Befehle. Das junge Werkzeug der Anführer der Reformation ward dann von vier Wächtern der Schottländerkompagnie abgeführt; sie ließen ihn die Treppe hinabsteigen und lieferten ihn an Herrn von Montrésor, den Schloßprofoß, ab. Von fünf seiner Häscher begleitet, führte diese schreckliche Persönlichkeit selber Christoph ins Schloßgefängnis, das in den gewölbten Kellern des Turmes liegt, der heute Ruine ist. Der Schloßvogt von Blois zeigt ihn euch mit den Worten, daß sich dort die Verließe befanden.
Nach einem solchen Ergebnis konnte der Conseil nur mehr eine Scheinhandlung sein: der König, die junge Königin, der Großmeister und der Kardinal von Lothringen kehrten dorthin zurück, die besiegte Katharina nahmen sie mit sich; sie sprach dort nur, um die von den Lothringern verlangten Maßnahmen zu billigen. Trotz des schwachen Widerstandes des Kanzlers Olivier, der die einzige Persönlichkeit war, welche Worte verlauten ließ, worin die für die Ausübung seines Amtes notwendige Unabhängigkeit einen breiten Raum einnahm, ward der Herzog von Guise zum Reichsverweser des Königreichs ernannt. Robertet brachte die Einsetzungsurkunden mit einer Schnelligkeit, die eine Ergebenheit bewies, welche man Mitschuld hätte nennen können.
Seiner Mutter den Arm reichend, durchquerte der König von neuem den Wachensaal und verkündigte dem harrenden Hofe, daß er folgenden Morgens schon nach dem Schlosse von Amboise reisen werde. Diese Residenz war aufgegeben worden, seitdem Karl der Achte sich dort auf höchst unfreiwillige Weise den Tod gegeben hatte, indem er an das Gesims einer Türe stieß, die er ausschnitzen ließ; er hatte geglaubt hindurchgehen zu können, ohne sich vor dem Gerüste bücken zu müssen. Um die Pläne der Guisen zu bemänteln, erklärte Katharina die Absicht zu haben, auf Kosten der Krone das Schloß von Amboise fertigzustellen, gleichzeitig würde man ihr Schloß zu Chenonceaux vollenden. Niemand aber ließ sich von diesem Vorwande hinters Licht führen, und der Hof war großer Ereignisse gewärtig.
Nachdem er etwa zwei Stunden damit zugebracht hatte, sich in der Dunkelheit seines Gefängnisses auszukennen, fand Christoph schließlich, daß es mit einem plumpen Täfelwerk von hinreichender Stärke versehen war, um dies viereckige Loch gesund und bewohnbar zu machen. Die Tür – sie ähnelte der eines Schweinekobens – hatte ihn gezwungen, sich um die Hälfte kleiner zu machen, um hindurchzugehn. Zur Seite dieser Tür sorgte ein dickes Eisengitter, das nach einer Art von Korridor hin offen war, für etwas Licht und Luft. Diese Gefängniseinrichtung ähnelte in allen Punkten den Brunnengefängnissen in Venedig und bewies zur Genüge, daß der Architekt des Schlosses zu Blois jener venezianischen Schule angehörte, welche Europa im Mittelalter mit so vielen Baumeistern versorgte. Als Christoph das Gefängnis oberhalb der Täfelung untersuchte, bemerkte er, daß beide Mauern, die es rechts und links von zwei ähnlichen Brunnengefängnissen trennten, aus Ziegeln bestanden. Als er sie beklopfte, um ihre Dicke festzustellen, hörte er zu seiner großen Überraschung auch auf der anderen Seite klopfen.
»Wer seid Ihr?« fragte ihn sein Nachbar, der durch den Flur mit ihm sprach.
»Ich bin Christoph Lecamus.«
»Ich,« antwortete die Stimme, »ich bin der Hauptmann Chaudieu, des Predigers Bruder. Heut nacht hat man mich in Beaugency festgenommen, glücklicherweise aber spricht nichts gegen mich.«
»Alles ist entdeckt«, sagte Christoph. »Also habt Ihr Euch vor dem Schlimmsten gerettet.«
»In diesem Augenblick haben wir dreitausend Mann in den Wäldern vom Vendomois stehen, und all das sind Leute, entschlossen genug, die Königin-Mutter und den König während ihrer Reise wegzuschnappen. Glücklicherweise ist la Renaudie schlauer gewesen als ich und hat sich gerettet. Ihr hattet uns gerade verlassen, als die Guisenfreunde uns
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