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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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warf Doktor Fasin mit einem Anflug von Schadenfreude ein. Dann wurde er wieder ernst.
    „Sag mal, Sando, du warst vorhin ein wenig irritiert, als ich dich nach Battonis Seele fragte. Ich habe das Gefühl, du hast mehr gesehen, als du mir sagen willst. Vertraust du mir nicht?“
    Sando fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
    „Natürlich vertraue ich Ihnen, Herr Doktor, aber es gibt Dinge, die …“ Sando wand sich, wusste nicht so recht, wie er sich nun verhalten sollte.
    „Kann es sein, dass du mehr siehst als andere?“, bohrte Doktor Fasin. „Immerhin bin ich ein Seelendoktor, ein ziemlich guter dazu, und ich sehe gewisse Anzeichen bei dir, die für eine außergewöhnliche Fähigkeit sprechen.“
    Sando gab sich geschlagen. Er hatte keine Wahl. Was andere ihm nicht glaubten, selbst wenn er es ihnen auf die Nase band, sah ihm Doktor Fasin an der Nasenspitze an.
    „Ja, ich bin ein Auvisor“, gab Sando zu.
    „Großartig!“, freute sich Doktor Fasin. „Du kannst es weit bringen. Warum versteckst du dich damit? Ich zum Beispiel könnte gut jemanden brauchen, der direkt mit Seelen sprechen kann, ohne Apparaturen, jemanden, der Seelen sehen und deren Gesichter erkennen kann. Unsere Apparate sind nur in der Lage, ihre Anwesenheit zu orten. Alles, was sie zeigen, ist ein lächerlicher Lichtpunkt auf dem Bildschirm.“
    Sando fühlte sich geschmeichelt, von einem so exzellenten Mann wie Doktor Fasin umworben zu werden. Er lehnte sich in sein weiches Kissen zurück, als sich die Tür leise öffnete. Vorsichtig steckte Denise die Nase durch den Spalt. Als sie sah, dass Sando wach war, riss sie die Tür ganz auf und stürmte herein, gefolgt von Nabil, Gregor und dem wiedererstandenen Ben.
    Obwohl Sando dessen „Wiedergeburt“ miterlebt hatte, überkam ihn beim Anblick des schwarzhaarigen Jungen, der mit strahlenden Augen auf sein Bett zueilte, eine tiefe Verwunderung. Vor wenigen Tagen noch ein Greis, stand er nun vor ihm – jung und lebendig. Und auch glücklich?
    Sandos Stirn umwölkte sich ein wenig, denn er musste an die klagenden Schreie des alten Ben denken, die ihn, Sando, nachts in Makala nicht hatten schlafen lassen. Und er ahnte, auch dem jungen Ben, der hier so unbeschwert an seinem Bett stand, würden die Erinnerungen an die Schrecken von Jerusalem schwer zu schaffen machen.
    „Na, wie lange willst du dich noch faul im Bett räkeln?“
    Die warme Knabenstimme Bens riss Sando aus seinen Gedanken.
    „Wie schön, deine richtige Stimme zu hören, Ben! Ich hatte mich schon an dein Zirpen gewöhnt.“
    „Zirpen?“, fragte Denise.
    Ben und Sando lächelten verständnisinnig und schwiegen.
    „Na, prima! Keiner redet mit mir“, beschwerte sich Denise.
    Sie machte den Eindruck, als hätten die letzten Tage sie ziemlich mitgenommen. Ihre Flügelchen waren nicht so akkurat gefaltet wie sonst. Die Federn hatten an Glanz verloren und waren sogar ein wenig zerzaust – sehr ungewöhnlich für Denise, die immer streng auf ihr Äußeres achtete.
    Sando erbarmte sich ihrer.
    „Zirpen – so klingt es, wenn Seelen sprechen. Jedenfalls empfinde ich es so …“
    „Das trifft es“, bestätigte Ben, setzte sich auf Sandos Bettrand und ließ entspannt die Beine baumeln. „Also, was ist?“, nahm er seine anfangs gestellte Frage wieder auf. „Musst du noch lange hier herumliegen?“
    Sando setzte eine unglückliche Miene auf. „Ich würde auf der Stelle mit euch gehen, aber ich schätze, Doktor Fasin hat etwas dagegen.“
    Doktor Fasin, der sich von dem Stuhl an Sandos Bett erhoben hatte, als Denise, Nabil, Gregor und Ben ins Zimmer gestürmt kamen, hob bedauernd die Schultern. „Tut mir leid, in zwei Tagen vielleicht. Er braucht noch ein wenig Ruhe.“
    Enttäuschung breitete sich auf den Gesichtern der Gefährten aus.
    „Sie entschuldigen mich jetzt bitte, ich habe noch zu tun“, verabschiedete sich Doktor Fasin und eilte hinaus.
    Denise ließ sich seufzend auf den Stuhl fallen, auf dem der Doktor zuvor gesessen hatte. Gregor und Nabil standen am Fußende des Bettes. Sie hatten die Ellbogen aufgestützt wie auf eine Schiffsreling und sahen interessiert hinab auf ihren Gefährten, der sich munter in den Wellen aus feinem Batist aalte.
    „Also krank siehst du nicht gerade aus“, befand Nabil gut gelaunt.
    Denise sah ihn vorwurfsvoll an. „Willst du damit sagen, dass Doktor Fasin übertreibt?“, fragte sie spitz. „Also ich finde, wir sollten ernst nehmen, was er sagt. Sando, du bleibst schön liegen,

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