Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
Junge. Ich habe dich schon vom ersten Tag an gemocht. Übrigens war mir damals sofort klar, dass ich einen Auvisor vor mir hatte.“
    Nun wurde seine Miene ernst.
    „Also, Sando, ich brauche dich! Bist du bereit, mir, dem Präsidenten, zur Seite zu stehen?“
    „Noch sind Sie es nicht“, rutschte es Sando heraus.
    Im Gesicht des Doktors zuckte es.
    Vorsicht , dachte der Junge und druckste herum.
    „Also … ich kann mir das nicht richtig vorstellen … Wie soll denn das Paradies aussehen, wenn es der Hölle entspringt?“
    Erstaunt zog der Doktor die Brauen hoch. „Ist es nicht gleichgültig, woher das Paradies kommt? Wenn ich die Macht, die ich zu seiner Gestaltung brauche, nur in der Hölle bekommen kann, dann hole ich sie mir eben dort. Wichtig ist allein das Ergebnis. Begreifst du nicht die Chance, die ich dir biete? Du kannst an meiner Seite am Aufbau des gelobten Landes teilhaben.“
    Sandos Kopf war leer. Was sollte er sagen? Er durfte den Bogen nicht überspannen. Ein Nein zu den Wünschen des Doktors konnte tödlich enden. Es war aber nicht allein die Angst, die Sando zu schaffen machte. Denn ganz leise, verschämt in seinem Hinterkopf, regte sich die Frage, ob sie nicht vielleicht doch an der Schwelle zum Paradies standen. Immerhin war Doktor Fasin ein hochintelligenter Mann, der wusste, was er wollte. Wenn er für seine Vision über Leichen ging, musste das Ergebnis deshalb schlecht sein? Musste man nicht die Menschen manchmal zu ihrem Glück zwingen?
    Der Doktor beobachtete Sando und schwieg. Er sah, dass es in ihm arbeitete, und er ließ ihm ein wenig Zeit. Aber er hatte auch ein Gespür dafür, wann er nachsetzen musste, um den Denkprozess seines Gegenübers in seinem Sinne zu beeinflussen. „Stell dir vor, du hättest Maria an deiner Seite …“, sagte er leise.
    Sando war wie elektrisiert. „Maria?“
    „Ich könnte sie dir wiedergeben.“
    Die Stimme des Doktors klang butterweich.
    In Sando brach das Chaos aus. Sehnsüchte, Wünsche, Träume mischten sich mit der brutalen Wirklichkeit, kreiselten wild durcheinander. Und den erstbesten Gedanken, den er zu fassen bekam, spuckte er aus: „Das würde Jamal al Din nicht zulassen.“
    Doktor Fasin hielt sofort dagegen: „Das lass mal meine Sorge sein. Jamal al Din hat Strafe verdient, nachdem er in aller Öffentlichkeit mit dem Key geprotzt hat.“
    „Maria“, sagte Sando nur und es klang wie Zustimmung.
    Doktor Fasin streckte ihm die Hand entgegen. „Also abgemacht? Du bist mein Auvisor?“
    Sando schlug nicht ein, er sah den Doktor nur verwirrt an. Er wusste nicht mehr, was richtig war.
    Der Doktor nahm es erstaunlich gelassen.
    „Ich sehe, du brauchst noch Zeit für deine Entscheidung. Gut, dann schicke ich dich jetzt wieder in die Zelle zurück.“
    Er erhob sich vom Sessel, lief zu seinem Schreibtisch und griff zu dem goldenen Glöckchen, um die Wache zu rufen. Doch er läutete nicht. Der Bildschirm auf dem Schreibtisch hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt.
    „Komm her, Sando! Das musst du dir ansehen!“, rief er und stellte den Lautsprecher am Monitor laut.
    Während Sando der Aufforderung des Doktors folgte, erklang die Stimme eines Nachrichtensprechers: „… wurde im Hinterzimmer einer New Yorker Bar, wo er mit einem Dutzend seiner Anhänger beisammensaß, verhaftet. Dem auch als ,Jannis der Träumer‘ bekannten Mann wird vorgeworfen, die Sicherheit Katharsias durch die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ansichten und die Durchführung nicht genehmigter Aktionen zu untergraben.“
    Empört sah Sando, wie Jannis von einer Polizeieskorte abgeführt wurde. Die Uniformierten schleppten ihn zu einem blinkenden Streifenwagen. Eine Hand drückte ihm beim Einsteigen den Kopf nach unten.
    „Der Hinweis, der zu seiner Ergreifung führte, soll von einem seiner engsten Vertrauten stammen.“
    Hohnlachend stellte Doktor Fasin den Ton wieder leise.
    „Hast du das gesehen, Sando? Diese Narren! Sie ziehen ihren besten Mann aus dem Verkehr! Sie haben nichts begriffen! Meinst du wirklich, Sando, dass sie deiner Treue wert sind?“
    Sein Blick fiel auf das Glöckchen, das er immer noch in der Hand hielt. Er schien unentschlossen, ob er läuten sollte oder nicht. Dann musterte er Sando aus den Augenwinkeln.
    „Kann es sein, dass du meine Hand ausschlägst, weil du mir die Machtübernahme nicht zutraust? Das wäre durchaus verständlich. Wer möchte schon auf das falsche Pferd setzen, nicht wahr? Im Falle meines Scheiterns würde dich Wanderer

Weitere Kostenlose Bücher