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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Blutvergießen zu vermeiden! Also, Herr Wanderer, was, glauben Sie, passiert, wenn eine kleine Explosion in der New Yorker Verkehrsleitzentrale auf einen Schlag alle Steuercomputer zerstört? Haben Sie die Fantasie, sich das anschließende Chaos vorzustellen? Tausende führerlose Gleiter kollidieren, stürzen ab, rasen in Häuserfassaden. Brände brechen aus, entfachen einen Feuersturm, der durch die Häuserschluchten rast. Und mitten drin die Menschen, die beim Aufschlag der Gleiter zerfetzt werden, die auf der Straße verbrennen, erschlagen werden von Gebäudetrümmern oder in der Gluthitze ersticken.“
    Während Doktor Fasin die Apokalypse beschrieb, telefonierte Heide Brandau bereits mit den Katastropheneinsatzkräften der Hauptstadt. Über die Tonanlage des Saales war zu hören, wie sie Suchmannschaften zur Verkehrsleitzentrale beorderte. Gleichzeitig sah Sando auf dem Monitor, dass Wanderer mit zunehmender Bestürzung auf die Bedrohung reagierte. Wie ein Tiger im Käfig lief er auf und ab. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und rief: „Es reicht, Doktor! Hören Sie auf!“
    „Gut“, sagte Doktor Fasin. „Und glauben Sie nicht, dass Sie jetzt einfach hingehen und die Bomben entschärfen könnten. Sie müssen sie erst einmal finden. Und ein Knopfdruck ist allemal schneller als eine Suchmannschaft.“
    „Ich brauche Bedenkzeit.“
    Wieder warnten die Militärs den Doktor, nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen und dem ursprünglichen Plan zu folgen: Die Hauptstadt sollte zerstört und unter Ausnutzung des entstandenen Chaos der Präsident durch die örtlichen KORE-Verbände in Gewahrsam genommen werden. Diese stünden schon seit Stunden bereit und warteten auf den Einsatzbefehl des Doktors.
    Doktor Fasin schwankte, sah Sando finster an. „Ich habe alles versucht. Und was ist dabei herausgekommen? Bald rückt uns hier die Gefahrenabwehr auf den Leib und in New York werden über kurz oder lang die Bomben entschärft. Es reicht! Wenn ich jetzt zögere, hätte ich mir alles sparen können.“ Er beugte sich über das Pult. Sein Finger spielte nervös am Knopf.
    „Wie lange werden die Suchmannschaften brauchen, um die Bomben zu entschärfen?“, fragte Sando rasch.
    „Schwer zu sagen … Aber drei bis vier Stunden mindestens.“
    „Dann geben Sie ihm zwei Stunden! Bitte!“
    Der Doktor schnaufte, blickte sorgenvoll in den Saal, wo Dutzende Augen jede seiner Bewegungen verfolgten.
    Der Bildschirm zeigte Wanderer. An den Konferenztisch gelehnt, starrte er auf das vor ihm liegende Telefon. Seine Finger trommelten auf der Tischplatte.
    „Hallo, Herr Wanderer?“
    Der Angerufene riss den Hörer an sich.
    „Ich gebe Ihnen zwei Stunden Bedenkzeit. Sollten Sie bis dahin nicht öffentlich Ihren Rücktritt zu meinen Gunsten erklärt haben, ist das Schicksal der Hauptstadt besiegelt!“
    „Ich habe verstanden“, sagte Wanderer spröde. „Noch eine letzte Frage: Gesetzt den Fall, ich trete zurück, denken Sie wirklich, dass Bevölkerung und Armee Ihnen dauerhaft folgen werden? Sie sind durch nichts legitimiert, außer durch Ihre Gewalt.“
    „Das sehen Sie völlig falsch, mein Bester. Die Gewalt wende ich nur an, weil Sie die eigentliche Umwälzung, die ich in Gang gebracht habe, nicht begreifen wollen.“
    „Was soll das für eine Umwälzung sein?“
    „Ich vereinige die Seelen dieser Welt, schwöre sie auf meine Vision ein. Sie werden mir freiwillig folgen, ohne Gewalt!“
    „Eine reine Fantasie … mit Verlaub …“
    „Ich setze sie bereits in die Tat um. Als Hadesarzt habe ich unzählige Seelen auf meine Vision geprägt.“
    „Aber sie sitzen im Hades fest.“
    „Da irren Sie sich, mein Lieber. Der Hades steht offen! Die Seelen schwärmen aus. Meine Vision ist nicht mehr aufzuhalten.“
    Diese Nachricht traf den Präsidenten körperlich. Er sank nieder auf einen Stuhl. Den Kopf nach hinten gebeugt, rang er nach Luft. Das Monitorbild begann zu schwanken, bewegte sich auf Wanderer zu. Sein Kopf sprengte nun fast den Rahmen des Schirms. Heide Brandau war offenbar auf ihn zugestürzt, um ihm zu helfen. Ihre Hände kamen ins Bild, streichelten seine Wangen, wischten ihm den Schweiß von der Stirn. Ihre Stimme sagte: „Das kann doch nicht sein! Unsere Truppen stehen am Hades. Ein Riesenaufgebot.“
    „Sag dem Doktor“, stöhnte der Präsident in das geheime Mikrofon, „dass ich die Bedenkzeit nutzen möchte.“
    Obwohl die Blicke seiner Offiziere deutliche Missbilligung signalisierten, gewährte

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