Katharsia (German Edition)
traf Sando der Blick des Dämons. „Professor Strondheim hat den Code verraten“, sagte er tonlos.
Sando fror und fragte sich, warum der Graf ausgerechnet ihn darauf ansprach. Wusste er etwa von dem Key auf seiner Brust?
„Dann wird die Anlage ja wieder Retamin produzieren“, zwang er sich zu sagen.
„In der Tat, das wird sie“, räumte Wolfenhagen ein. „Das ist das Gute an der Geschichte.“
Von dem gestohlenen Key weiß er noch nichts , dachte Sando, ohne Erleichterung dabei zu empfinden, denn der Graf schaute ihn Unheil verkündend an. Was wollte er? Worin bestand für ihn das Böse an der Geschichte?
„Weißt du, Junge“, setzte der Graf schleppend fort, „ich frage mich nur, warum die Anlage überhaupt ausgefallen ist.“
Der Junge schwieg, starrte den Grafen an wie das Kaninchen die Schlange.
„Jemand kannte den Code und hat den Key deaktiviert“, hörte er Wolfenhagen sagen. „Und derjenige warst du, Auvisor!“
„Ich?“
Sando suchte sein Heil in gespielter Ahnungslosigkeit, doch es verfing nicht. Der Dämon hatte sich in ihn verbissen und ließ ihn nicht mehr los.
„Du warst ganz erpicht darauf, in den Hades zu gehen, um das Gejaule abzustellen.“
„Aber Sie haben mir doch zugeraten!“, bäumte sich Sando auf.
Wolfenhagens Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen. „Du hast mich zum Narren gehalten, Klugscheißer! Du bist losgezogen mit der Absicht, die Syntheseanlage lahmzulegen!“
In dem Jungen kroch die kalte Angst hoch.
„Aber nein … ich habe nichts gewusst … wirklich nicht …“, stammelte er.
Doch es half nichts. Der Graf blieb unerbittlich. „Wegen dir haben meine Seelen kein Retamin bekommen! Das ist Hochverrat!“
Das war Sandos Todesurteil.
Wolfenhagen sprang auf, kreuzte die Arme über dem Kopf. Schon lag ein Speer in seiner Hand. Sando fühlte, wie er von seinem Sitz gerissen und, von eisenharten Armen umklammert, auf die Knie gezwungen wurde. Ein rasender Schmerz durchfuhr seine Kopfhaut. Eine Hand hatte sein Haar gepackt und ihm den Kopf in den Nacken gezerrt. Sein Kehlkopf spannte sich, bis sich sein Rachen auftat. Er röchelte, schrie um sein Leben. Über ihm waberte der Rauch des Scheiterhaufens, der Himmel der Hölle. Darin erschien, als würde er schweben, der Dämon mit dem Speer. Lächelnd hielt er ihm die Spitze entgegen, der Herr über Leben und Tod, der den Zeitpunkt bestimmte, wann sein Opfer zu gehen hatte.
„…aria!“, schrie Sando, die Speerspitze im Rachen.
Und Wolfenhagen lachte. „Sprich deutlicher, Klugscheißer! Ich kann dich nicht verstehen!“
Vor Sandos rauchschwangerem Himmel erschien nun Maria. Flehend streckte sie dem Dämon die Arme entgegen. Doch Jussuf, ihr Mörder, war sofort zur Stelle, zerrte sie weg, die Pistole an ihre Schläfe gepresst.
„…aria!“
Sie kam nicht wieder. Dafür wuselte Lemming verstört durch die Wolken aus fettigem Qualm, verhedderte sich zwischen den rußgeschwärzten Kristallen der Leuchter, um dann wie ein verlöschendes Irrlicht aus Sandos Sichtkreis zu verschwinden. Nur der Dämon blieb und feixte ihn an. Wie lange noch würde er warten, bis er entschied, dass Sandos Zeit nun abgelaufen war?
Doch auf einmal schaute der Mörder auf, schien den Jungen vergessen zu haben. Irgendetwas geschah neben ihm, was der Junge nicht sehen konnte, etwas, was dem Dämon die Vorfreude auf einen großen Spaß ins Gesicht schrieb.
„Halt, Jussuf! Überlass das mir!“, hörte Sando ihn rufen.
Und dann war nur noch dieser verrußte Himmel da. Der Dämon und sein Speer waren daraus verschwunden. Nun löste auch die Faust den schmerzhaften Griff in Sandos Haar.
Der Junge heulte wie ein Schlosshund. Seine Glieder erschlafften. Er war mit seiner Kraft am Ende. Nur dank der eisenharten Arme, die ihn weiter fest umklammerten, hielt es ihn aufrecht auf den Knien. Und durch den Schleier seiner Tränen erkannte er, wem er den Aufschub zu verdanken hatte: Maria.
Es war ihr gelungen, sich von Jussuf loszureißen und sich des Seldschukendolches zu bemächtigen, den Wolfenhagen achtlos auf der Tafel hatte liegen lassen. Zorn funkelte in ihren Augen. Die Waffe in der zitternden kleinen Faust näherte sie sich nun dem Grafen. Hinter ihr, wütend und mit schamrotem Kopf, stand Jussuf und richtete seinen Revolver auf sie. Doch Wolfenhagen bedeutete ihm, nicht einzuschreiten. Er erwartete Maria mit einem siegessicheren Lächeln.
„Spiel etwas Lustiges!“, befahl er Gregor, ohne Maria aus den Augen zu
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