Kathedrale
Was wir versuchen, mag durchaus gelingen – oder eben nicht. Es besteht immer noch eine zehnprozentige Chance, dass wir jeden in diesem Transporterstrahl verlieren. Das muss uns bewusst sein.«
»Zehn Prozent«, wiederholte Vaughn und strich sich nachdenklich über den Bart. »Aber wir verlieren sie mit Sicherheit, wenn wir Nogs Plan nicht umsetzen.«
Tenmei an der Steuerkonsole sah so angespannt aus wie Vaughn. »Wenn wir noch länger warten«, sagte sie mit Blick auf ihr Chronometer, »schnappt das kosmische Gummiband wieder zurück und reißt die vier in ein anderes Universum. Den stündlich ansteigenden Quantensignaturfluktuationen nach zu urteilen, dürfte der nächste Vorfall dieser Art dauerhaft sein.«
»Selbstverständlich«, sagte Shar durch zusammengebissene Zähne. Er war es allmählich leid, ständig Dinge vorgebetet zu bekommen, die doch auf der Hand lagen. Oder war er schlicht alles leid? »Allerdings wäre mir wohler zumute, wenn wir zunächst einen Testlauf mit leblosen Objekten durchführen.« Dann wandte er sich nur an Vaughn. »Und zwar bevor wir Personen beamen, Sir.«
»Könnten wir das erste Relais nicht einfach alle anderen in der Reihe replizieren lassen?«, fragte Tenmei. »Das wäre wesentlich weniger riskant, als zu versuchen, alle genau aufeinander abzustimmen, damit der Transporterstrahl nicht unterbrochen wird.«
Vaughn dachte einen Moment nach und schüttelte dann den Kopf. »Sobald die Nyazen Transportaktivität nahe der Kathedrale bemerken, greifen sie sicher an. Dann bekommen wir keine zweite Chance, das Außenteam rüberzubeamen.« Sein Blick war so sicher, dass Shar sich an seine Zhavey erinnert fühlte. »Geben Sie mir Ihre wissenschaftliche Einschätzung, Ensign: Sind die Risiken angesichts der Umstände akzeptabel?«
Shar wusste genau, dass das Universum nur eine Sache garantierte – den Tod. Das Schicksal von Raumschiffen, deren cleveren Ingenieuren und wackeren Offizieren hatte für es keinerlei Bedeutung.
Genauso wenig wie das dreier schiffbrüchiger Seelen. Drei Gesichter erschienen vor seinem geistigen Auge, als wollten sie ihn heimsuchen. Sie weinten, zeterten, tobten. Doch es waren nicht Nog, Bashir und Ezri. Sondern Dizhei und Anichent.
Und Thriss.
»Nun, Ensign?«, drängte Vaughn mit Ungeduld in der Stimme.
Shar fiel auf, dass jedermanns Augen auf ihm ruhten. »Ich sehe keine Alternative, Sir«, antwortete er. »Wir sollten fortfahren. Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, werde ich Chief Chao und Lieutenant Bowers in Transporterraum eins zur Hand gehen.«
Vaughn nickte. »Erteilt.«
Als er den Turbolift betrat, fragte Shar sich, ob er überhaupt noch eine große Hilfe sein konnte. Die Parameter des Beamvorganges standen fest, die sprichwörtlichen Würfel waren gefallen. Diese Mission würde seine Freunde entweder retten oder vernichten – aber immerhin gewährte sie Shar die Chance, sich von ihnen zu verabschieden.
Dieses Privileg hatte Thriss ihm nicht gewährt.
Bowers stand neben Chief Jeannette Chao an der Transporterkonsole und merkte, dass seine Hände schwitzten. Drei seiner Kollegen – seiner Freunde – würden bald auf die Transporterplattform treten und ihr Leben den Launen einer Materiestromphysik anvertrauen, die er nicht einmal ansatzweise verstand.
Im Vergleich hierzu ist mir jede lebensbedrohliche Situation an der Taktik lieber. Jede! Her mit den feindlichen Photonentorpedos.
Stumm sah er, wie Shar und ein in einen Raumanzug gekleideter Nog den Raum betraten, den Behälter mit dem Dax-Symbionten in Händen. Ohne ein Wort bestiegen sie die Plattform, legten den klobigen Kasten auf eines der Felder und traten zurück zur Konsole. Dann prüften sie die von Bowers eben erst gemachten Eingaben. Sie waren so beschäftigt, dass sie nicht einmal grüßten, doch Bowers war nicht beleidigt.
Als Nächstes trafen Ezri und der neben ihr hertrottende Dr. Bashir ein. Sie trugen ebenfalls Raumanzüge und hatten die Helme unter den Armen. Ezri sah angespannt aus, wie zu erwarten war. Doch der Ausdruck auf dem Gesicht des Mediziners erstaunte Bowers. Bashirs Augen waren zwar angstvoll geweitet, aber in ihnen sah Bowers einen Mut, der seinesgleichen suchte.
Entweder ist er aus starkem Holz geschnitzt oder nicht mehr klug genug, um die Gefahr zu verstehen, in die er sich gleich begibt. Bowers fragte sich, ob Ezri aus seiner Stärke emotionalen Halt zog oder umgekehrt.
Plötzlich sah er weiß. Er schreckte zurück, blinzelte wie wild, und als seine Sicht
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