Kathedrale
jenseits des Tisches, als läge die Antwort auf Tenmeis Frage in dessen großen, ölschwarzen Augen.
»Sie werden Ihre Weltlichkeit wiedererhalten«, sagte Sacagawea überraschend deutlich. »Sich wiederherstellen werden Sie. Oder bei dem Versuch vergehen/enden.«
Den Worten folgte eine Stille, die fast eine Minute andauerte. Dann ergriff Commander Vaughn das Wort. »Es gibt Situationen, in denen wir blind vertrauen müssen. Angesichts unserer Alternativen – die darin bestehen, die Sagan -Besatzung durch unsere Untätigkeit für immer zu verlieren oder einen nicht gewinnbaren Kampf mit den Nyazen zu beginnen – sehe ich mich gezwungen, dies als eine solche Situation einzuschätzen. Mr. Nog?«
»Sir?«
Vaughn stand auf und deutete damit das bevorstehende Ende der Besprechung an. »Ich möchte, dass Sie und Shar alle verbliebenen technischen Vorbereitungen erledigen. Packen wir’s an.«
Zur Überraschung aller, meldete sich plötzlich Bashir zu Wort. Den Blick seiner ernsten braunen Augen auf Sacagawea gerichtet, fragte er: »Warum betet man ein Ding an, das ganze Welten vernichten kann?«
Nog fand die Frage exzellent, hatte bislang aber nicht daran gedacht. Sacagawea saß so teilnahmslos da, als hätte er sie nicht verstanden.
»Viele alte Erdenreligionen wurden um wütende, einschüchternde Gottheiten herum errichtet«, sagte Vaughn. Er setzte sich wieder, ließ den Arzt jedoch nicht aus den Augen. »Vielleicht haben die D’Naali und die Nyazen ähnliche Glaubensmodelle.«
Ezri nickte. »Das passt zu allem, was wir bisher sahen. Und es erklärt ihre Uneinigkeit, ob das Artefakt dort draußen nun eine Kathedrale oder ein Anathema ist. Ich schätze, sie hegen eine Art Hassliebe zu ihren Göttern.«
Wieder schwieg Sacagawea, sah nun aber in Ezris Richtung. Entweder verstand der D’Naali die Unterhaltung nicht, oder er behielt seine Gedanken für sich.
Shar runzelte die Stirn. »Und wie viel Vertrauen setzen wir in eine fremde Religion?«
»Bleibt uns denn eine Wahl?«, gab Vaughn zurück. Alle erhoben sich, sichtlich gespannt darauf, Nogs Berechnungen in die Praxis umzusetzen.
»Die Kukalakaner beten also Monster an«, sagte Bashir zu Ezri, die prompt seine Hand ergriff. Sein Tonfall war ein einziger, kindlicher Singsang. »Ich frage mich, ob die Monster in der Kathedrale auf uns warten.«
Ihre Antwort war geflüstert, doch Nogs empfindliche Ferengi-Ohren hörten sie trotzdem. »Ich werde direkt neben dir sein, Julian. Und es gibt gar keine Monster.«
Ohne Vorwarnung kamen Nog Bilder von Taran’atar, Kitana’klan und den Horden der Jem’Hadar in den Sinn, die ihm bei AR-558 das Bein nahmen. Nein, er konnte Ezris Zuversicht nicht teilen.
Auch Bashir wirkte nicht überzeugt, doch auch nicht panisch. Trotz seines Zustands schien er bereit zu sein, sich allem zu stellen, was im Innern des fremden Objektes auf sie warten mochte.
Und während Vaughn die Besprechung beendete und alle auf ihre Posten beorderte, erkannte Nog, dass er selbst genauso handeln musste. Mit Shar an seiner Seite ging er zu Transporterraum eins. Bei jedem Schritt bemühte er sich angestrengt, nicht an sein linkes Bein zu denken.
Persönliches Logbuch des Leitenden Medizinischen Offiziers,
Sternzeit 53580,3
Wir saßen an dem Ort, wo Ezri und ich essen und der Captain manchmal Versammlungen abhält. Und auf einmal war ich fort. Es gab einen Blitz, und weg war ich. Sam Bowers sagt, diesmal war es kein Traum. Er sagt, wir waren tatsächlich nicht mehr an Bord, sondern ein oder zwei Sekunden lang woanders. Sam sagt, Ezri und Nog waren ebenfalls fort. Aber wohin sie auch gingen, es schien ihnen nicht gefallen zu haben. Niemand will darüber sprechen. Deshalb erzähle ich’s dem Computer, anstatt meine Freunde zu belasten. Sie scheinen auch so schon mehr als genug um die Ohren zu haben.
Mir ist, als hätte ich an dem Ort Jahre verbracht, auch wenn Sam sagt, dass ich nur wenige Momente weg war. Es kam mir vor, als wäre ich in ein ganz anderes Leben getreten. Ich war noch immer Julian Bashir – diese Eigenschaft könnte mir wohl höchstens der Tod nehmen –, aber ich war nicht der Julian Bashir, den hier alle kennen. Ich war kein Mediziner, aber das schien mir egal zu sein. Meine Tage waren voller interessanter Dinge und wunderbarer Leute, mit denen ich sprechen konnte. Ich lebte auf der Erde, wo alles, was man braucht, aus Replikatoren kommt. Dort, im Herzen der Föderation, ist mangelndes Talent nicht gerade ein großes
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