Kathedrale
Besatzung?«, fragte sie mit anklagendem Tonfall. »Warum halfen sie uns nicht beim Wiederaufbau unserer Welt? Warum waren die, die ihren Willen angeblich am Stärksten verkörpern, unfähig, einen dauerhaften Frieden mit den Cardassianern herbeizuführen?«
Yevir fühlte eine Frustration in sich aufsteigen, wie er sie seit der Besatzung nicht mehr gekannt hatte. Den Rücken zu Mika gewandt, ballte er die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, schluckte seine Verzweiflung und seinen wachsenden Zorn hinunter – Lasst Eure Liebe durch mich fließen! – und drehte sich schließlich wieder um. »Kamen Sie deshalb heute zu mir? Um Ohalus polemische Blasphemie zu verkünden?«
»Nein«, antwortete sie, die Augen wie zwei ruhige, klare Seen. »Ich bin nicht hier, um Sie zu überzeugen, die Ohalavaru zu segnen.«
Yevir entsann sich, den Namen bereits gehört zu haben. Einige Vedeks hatten ihn erwähnt – selbstverständlich nur abfällig. »,Ohalus Wahrheitssuchende‘?« Die Übersetzung des Begriffes aus dem Althochbajoranisch war nahezu ironisch.
»So heißt unsere Sekte.« Mika streckte den Arm aus. Die Geste wirkte fast gönnerhaft. »Wie ich schon sagte: Ich bin nicht hier, um über Theologie zu debattieren. Nicht einmal, damit Sie unseren Glauben anerkennen. Ich bin hier, weil ich Sie um Hilfe bitten möchte.«
Yevir nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und sah seine Besucherin über die Jevonit-Figur hinweg an. »Wobei?«
»Ich glaube – wir glauben, dass Colonel Kira von Seiten der Vedek-Versammlung großes Unrecht zuteilwurde. Sie selbst sagten in Ihrer Ansprache an das bajoranische Volk, wir müssten die alten Wege neu bewerten, neue Antworten auf alte Fragen finden. Unseren Verstand offen halten. Kira hat nichts weiter getan, als dem Volk die Chance zu gewähren, seinen Glauben zu hinterfragen. Selbst zu entscheiden, welche Antworten es akzeptiert … Mögen sie von den Propheten oder ihm selbst stammen.«
Yevir war versucht, sie erneut zu unterbrechen, zwang sich aber, still dazusitzen und zuzuhören.
»Wie Sie vielleicht noch wissen, rettete Kira mein Leben – und das meines Mannes und meines Kindes. Die Leben aller, die Gul Dukat nach Empok Nor folgten. Sie teilte ihr Wissen mit uns und half uns, unseren Glauben neu zu bewerten. Was sie nun getan hat, war nichts anderes – nur für Bajor als Ganzes.«
»Sie werden mich kaum für sich gewinnen, indem Sie Ihren Entschluss, den Pah-Geistern abzuschwören, damit vergleichen, an den Propheten zu zweifeln«, sagte Yevir. Er war unfähig, die Kälte aus seinem Tonfall zu halten.
»Man lernt, indem man fragt«, erwiderte Mika nahezu heiter. Yevir erkannte das Zitat: einer von Solis’ am häufigsten zitierten Aphorismen. »Man wächst nur, indem man Antworten sucht. Manche Personen, die Ohalu lasen, wiesen ihn danach von sich; seine Antworten passten nicht zu ihnen, und ihr Glaube an die Propheten wurde dadurch gefestigt. Andere aber wünschten sich, ihre spirituelle Erkundungsreise fortzusetzen.« Sie hielt einen Moment inne, schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Selbst der Abgesandte fragte öffentlich nach dem Wesen und der wahren Rolle der Propheten in Bajors Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.«
Yevir schloss für einen Moment die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. Die Unterhaltung begann, ihn zu ermüden. »Ich werde Kiras Befleckung nicht aufheben. Ob Ohalus Fragen gerechtfertigt sind oder nicht, ist für den Entschluss der Versammlung ohne Belang. Kira entschied sich, Ohalus Ketzerschrift zu veröffentlichen – ohne zu bedenken, welche Auswirkungen dies insbesondere unter den aktuellen Umständen für die bajoranische Religionsgemeinschaft hat. Das ist unverzeihlich.«
Mika runzelte die Stirn. »Sie müssen sie wirklich hassen, Vedek Yevir. Wie enttäuschend.«
»Nein, mein Kind«, widersprach er. Seit Kiras Verrat hatte er mehrfach in sich hineingehorcht und nach unwürdigen Motiven gesucht, aber keine gefunden. Im Gegenteil, die Befleckung bereitete ihm ebenfalls Unbehagen. »Obwohl ich verstehe, wie der Eindruck entstehen kann. Ich weiß, dass die Befleckung schwer auf ihr lasten muss.«
»Dann können Sie ihr sicherlich vergeben.«
»Es übersteigt meine Befugnis, eine Tat solchen Ausmaßes zu verzeihen. Kira hat es auf sich genommen, Bajors spirituelles Wohl zu beeinflussen – und zwar ohne Ausbildung, ohne Warnung, ohne offizielle Befugnis. Ehrlich gesagt, ist sie schlicht zu
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