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Kathedrale

Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels
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die ihm eher wie ein stummer Hilferuf vorkam. Die bebenden, weidenartigen Glieder des Wesens ließen ihn an die Zeit mit Ensign Melora Pazlar denken, deren elaysianische Knochen – ein Ergebnis der geringen Schwerkraft auf ihrer Heimatwelt – vermutlich ähnlich zerbrechlich waren.
    Natürlich! Warum fällt mir das jetzt erst ein?
    Der geschwächte Fremde ließ den zitternden Arm sinken und ein schmerzhaftes Winseln vernehmen. Bashir berührte seinen Kommunikator. »Bashir an Nog.«
    »Nog hier, Doktor. Was kann ich für Sie tun?«
    »Können Sie mir Auskunft darüber geben, wie die künstliche Schwerkraft auf dem Schiff der Fremden beschaffen ist?« Bashir lächelte, als ihm Krisstens verwirrter Gesichtsausdruck auffiel.
    In Nogs Stimme lag so viel Enthusiasmus, wie ihn ein vielbeschäftigter Ingenieur aufzubringen vermochte. »Ich kann sogar noch mehr, Doktor. Shar und ich sind bereits dort und helfen bei der Reparatur des Maschinenraums. Und die Schwerkraft ist so ziemlich das geringste Problem, das sich uns stellt.«
    »Inwiefern?«
    »Wenn Sie hier zu schnell gehen, fallen Sie in Zeitlupe auf Ihren Hintern. Ich schätze die Schwerkraft auf null Komma eins fünf unseres Standardwertes.«
    Bashir dachte an die uralten 2D-Aufnahmen der Apollo-Astronauten, die in ihren klobigen Raumanzügen über die Mondoberfläche »hoppelten«. Auch sie waren gestolpert, wenn sie nicht aufgepasst hatten. Und was war mit den russischen Kosmonauten, die man nach monatelangen Missionen im schwerkraftlosen Erdorbit auf Tragen aus ihren Raumkapseln hatte holen müssen?
    »Danke, Nog. Bashir Ende.« Er nickte Candlewood zu, der den Austausch interessiert verfolgt hatte und sofort verstand.
    »Ich ändere die Schwerkraft auf der Krankenstation, Sir«, meldete er, während seine Finger über eine Wandkonsole tanzten. »Neuer Standard: Luna.«
    Umgehend fühlte sich Bashir leichter, und das keuchende Wesen atmete viel unbeschwerter und tiefer. Auch die anderen Patienten schienen von dem Wandel zu profitieren, hatten ihre Atmungsmuskeln doch plötzlich viel weniger Arbeit zu erledigen. Bashir glaubte, Dankbarkeit in den undeutbaren Öltropfenaugen des vor ihm liegenden Wesens zu erkennen, und lächelte aufmunternd – auch wenn die Kreatur seine Miene vermutlich so wenig zu deuten wusste, wie er die ihre.
    Als Nächstes wandte er sich an Krissten, die sich beidhändig an den Operationstisch klammerte. »Hatten Sie Schwerelosigkeitstraining, Ensign?«
    »Das ist Jahre her …«, murmelte sie. Sie erinnerte an einen Bergsteiger, der gerade einen Freund in eine Schlucht hatte stürzen sehen. Candlewood hingegen meldete sich ab und verließ die Krankenstation sicheren Schrittes. »Kol ist ein Fan von Sportarten, die in Schwerelosigkeit durchgeführt werden«, fuhr Krissten fort. »Ich nicht.«
    Bashir lächelte und entsann sich eines Hoverball-Turniers, in dem er einst gegen Krisstens Freundin gespielt hatte; damals hatte Deputy Etana Kol zwei ihrer drei Begegnungen gewonnen. Er fühlte sich versucht, ein wenig mit seinen genetisch aufgewerteten Reflexen anzugeben, unterdrückte den Impuls aber. »Bewegen Sie sich einfach vorsichtig und langsam«, sagte er stattdessen. »Ich helfe Ihnen, das Operationsbesteck wegzuräumen.«
    Er griff nach dem Exoskalpell, das er aufs Tablett gelegt hatte. Überrascht sah er, dass es noch immer eingeschaltet war. Hätte ich es weiter oben berührt, hätte ich mir den Daumen abgesäbelt. Wie konnte ich nur vergessen, es auszuschalten?
    Er streckte den Daumen nach dem entsprechenden Knopf aus.
    Für einen Moment schien sich seine Hand zu widersetzen! Ihm war, als wäre sie mit Tetralubisol eingecremt. Verdammte Schwerkraft , fluchte er, als ihm das Gerät aus den Fingern glitt.
    Geschickt fing er es im Fall, bekam das noch immer aktivierte Exoskalpell zu fassen – und richtete es ungewollt auf seinen Patienten, als Krissten, die sich ebenfalls danach ausgestreckt hatte, gegen ihn prallte und ihn von den Füßen riss.
    Das Wesen auf dem Biobett schrie, als das Exoskalpell bis zum Griff in seiner Brust verschwand. Genau dort, wo beim Menschen das Herz war.
    »Doktor, es war genauso sehr meine Schuld«, sagte Krissten. Der Patient war wieder stabil, der Schaden behoben. Zu ihrer aller Glück hatte das Exoskalpell keine lebenswichtigen Organe verletzt.
    Schweigend stand Bashir neben dem abermals bewusstlosen Wesen und wusch sich die Hände. Die Krise war beigelegt, und die Operationskittel, die er und Krissten

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