Kathedrale
ich auch schon gedacht«, murmelte Nog mit finsterer Miene. »Jedenfalls: Je weniger ich von einem Jem’Hadar zu sehen bekomme, desto besser. Finde ich.«
Die Vehemenz, mit der er seine Schlussfolgerung verkündete, verblüffte Ezri. »Warum das?«
Der junge Ferengi zögerte. Er schien sorgfältig abzuwägen, wie viel er preiszugeben bereit war. Ezri wollte schon das Thema wechseln, als er endlich antwortete. »Kurz vor unserem Aufbruch in den Gamma-Quadranten lief ich Taran’atar über den Weg. Die Begegnung bewies mir, dass ich ihn von Anfang an richtig eingeschätzt habe.«
Abermals klingelten Ezris Counselor-Alarmglocken lautstark. »Wie meinen Sie das?«
»Jem’Hadar sind kaltblütige Killer. Allesamt. Nichts kann das ändern, nicht einmal ein direkter Befehl von Odo.« Nog wandte sich um, als müsste er sich plötzlich auf eine Konsole konzentrieren.
Schweigend schalteten sie die Sagan ab. Ezri unterrichtete Commander Vaughn darüber, dass sie auf dem Weg zur Brücke seien, um einen ersten Bericht über das fremde Objekt zu erstatten. Dann traten sie und Nog in den engen Hangar hinaus, erreichten den angrenzenden Korridor und begaben sich zum Turbolift.
»Brücke«, wies Nog das Gefährt leise an.
»Taran’atar ist nicht für das verantwortlich, was Ihnen bei AR-558 widerfuhr«, sagte Ezri, bemüht, ihren Tonfall ruhig und neutral zu halten.
»Richtig. Aber er sorgt dafür, dass ich es nicht vergesse. Allein durch seine Anwesenheit. Auch deswegen war ich froh, mich dieser Mission anschließen zu können: keine unnötigen Erinnerungen.«
Autsch , dachte Ezri. Das habe ich nun davon, Counselor und Erster Offizier sein zu wollen. Trotzdem: Sie hasste es, in Gefühlsdingen offene Enden zu hinterlassen. »Lassen Sie nicht zu, dass sich alter Hass in Ihnen festsetzt. Langfristig gesehen bringt er Sie nicht weiter.«
Der Turbolift hatte die Brücke gerade erreicht, da hieß Nog ihn, anzuhalten. Ezri sah Schweißperlen auf seiner haarlosen Stirn glitzern.
»Ezri, ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, aber es geht mir gut. Ich bin ausgebildet worden, jede Art von Befehl zu befolgen – also verkrafte ich es auch, einen Jem’Hadar auf der Station zu wissen. Allerdings kann mir niemand befehlen, mich darüber zu freuen. Oder den Jem’Hadar dafür zu vergeben, dass ich nur noch ein Bein habe.«
Sie nickte. Dann bat sie den Computer, die Tür zu öffnen. Einen Moment später glitt sie zischend zur Seite. Schweigend ging Nog voraus.
Nein, Nog. Ich kann Ihnen Vergebung nicht aufzwingen. Sie können sie nur durch eigene Kraft erreichen.
Das Dutzend Insektoider, das Commander Vaughn auf die Krankenstation hatte beamen lassen, litt unter einer ganzen Menge an Verletzungen. Manche wiesen Verbrennungen dritten Grades auf, andere offene Wunden oder Knochenbrüche. Nur zwei waren bei Bewusstsein, doch die Laute, die sie von sich gaben, fand der Universalübersetzer offenkundig genauso unverständlich wie Bashir. Die hochgewachsenen Wesen sahen auf den für sie viel zu kleinen Biobetten recht bizarr aus, und ihre schwarzen Exoskelette aus Chitin wirkten auf Bashir wie eine Kreuzung zwischen Holzbrettern und Riesenversionen der Krustentiere, die sein Vater manchmal auf Invernia II fing. Die Wesen hatten nahezu perfekt gerundete Schädel, und ihre dunklen Gesichter erinnerten auf eigenartige Weise gleichzeitig an Gottesanbeterinnen und Seelöwen.
In ihren tiefen, schwarzen Augen schien jedoch etwas anderes zu liegen. Etwas, das gleichermaßen vertraut und beruhigend wirkte, auch wenn Bashir sich den Eindruck nicht erklären konnte.
Er, Ensign Krissten Richter und zwei Pfleger gingen gerade ihrer Arbeit nach, steckten quasi bis zu den Ellbogen in den Körperflüssigkeiten der Fremden, und versorgten die Patienten, so gut es ging. Bashir gestattete sich einen mentalen Ausflug in das imaginäre Zimmer, in dem er seine Kindheitserinnerungen aufbewahrte. Dort – hoch oben auf einem Regal in einem Schrank, den er fast nie öffnete – lag die Erinnerung an seinen ersten Patienten. Die erste chirurgische Arbeit seines Lebens hatte darin bestanden, seinem geliebten Plüschtier Kukalaka ein abgerissenes Bein anzunähen. Damals war Bashir fünf Jahre alt gewesen.
Und nun schien es ihm, als sähe er das Antlitz seines Kindheitsbegleiters wieder – hier auf den Gesichtern seiner fremdartigen Patienten. Er fühlte sich versucht, sie »Kukalakaner« zu taufen.
Nie zuvor war Pfleger Juarez’ Abwesenheit schmerzlicher
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