Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels

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der Hand hielt er ein archaisches Bühnenmikrofon. Sobald er Quark sah, nickte er und lächelte vielsagend. Dann trat er auf die Bühne, wo sich ein Trio befrackter Menschen an Piano, Bass und Schlagzeug erging, um ihn bei etwas zu begleiten, das dem Titel – »Let’s Get Away From It All« – nach zu urteilen ein musikalischer Reisebericht sein musste. Kurz bevor Vic seinen Gesang anstimmte, teilte er den Zuhörern mit, dass ein irdischer Sänger namens Sin-Ah-Trah das Stück berühmt gemacht habe.
    Quark nahm Ro gegenüber Platz und begriff, dass ihn der Abend bereits um die Chance gebracht hatte, ihr den Stuhl anzubieten. Aber das war in Ordnung. Falls sie lernte, sich in diesem eigenartigen Milieu so wohlzufühlen, wie er es seit Monaten tat, würde sie ihre Schilde vielleicht absichtlich für ihn senken.
    Früher war ihm Vics Holo-Schuppen ungewollte Konkurrenz gewesen. Erst der Dominion-Krieg hatte Quark gezeigt, dass das alte Las Vegas eine Art Eskapismus darstellte, ein Versteck vor Sorgen aller Art. Man konnte ihm verfallen, wie es Nog in den Monaten nach dem Verlust seines Beines bewiesen hatte, aber es war immer da – und mit ihm das Versprechen von Trost. Sechsundzwanzig Stunden am Tag, wie einige der Menschen hier zu sagen pflegen.
    Vic beendete seine Nummer und verbeugte sich vor der applaudierenden Menge. Quark sah, dass Ro von der Szenerie fasziniert war, und lehnte sich zuversichtlich vor. »Du bist früh dran«, sagte er und bemühte sich um sein am wenigsten bedrohliches Lächeln.
    Sie nickte, einen undeutbaren Ausdruck im Gesicht. »Ich dachte, es macht dir sicher nichts aus. Hier stört man mich weitaus weniger als im Sicherheitsbüro. Und nachdem man mich im Kleiderladen in dieses Kostüm genäht hatte, wurde mir ohnehin bewusst, dass ich so wohl kaum zurück zur Arbeit gehen konnte.«
    »Das Leben hat mehr zu bieten als Arbeit«, sagte Quark grinsend.
    Ro sah ihn an, als wollte sie »Du hast leicht reden« sagen. Irgendetwas belastete sie, aber es war nicht der Dienst.
    Quark beschloss, das Thema zu wechseln. »Und? Was hältst du von Las Vegas?«
    »Es ist … interessant«, antwortete sie ausweichend und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Der Ohrring an ihrem linken Ohr glitzerte verlockend im schummrigen Licht.
    »Nur interessant?«
    Quark hatte gar nicht bemerkt, dass Vic wieder bei ihnen stand. Der Entertainer lächelte. Ro sah sich um, als wäre sie überzeugt, er müsste jemand anders meinen.
    »Lassen Sie die Zweifel draußen, Kleines«, sagte er. »Ich hab mich nur gerade gefragt, wann Ihr Charmeur hier dazu kommt, uns einander vorzustellen.«
    »Ich glaube, ich muss meinen Universalübersetzer neu justieren«, fand Ro.
    »Hey, das hier ist 1962«, wehrte Vic ab und breitete die Arme aus. »Hier müssen Sie sich auf altmodische Art durchschlagen: mit Erfahrung.« Dann wandte er sich an Quark und nickte in Ros Richtung. »Also, wollen Sie die Existenz dieser Göttin ganz und gar für sich behalten?«
    Erst jetzt erkannte Quark, dass er Ro noch immer anstarrte wie ein Verdurstender ein fernes Glas Wasser. Sofort schüttelte er den Kopf, als müsste er ein Traumbild vertreiben. »Vic, das ist Lieutenant Ro Laren, die Sicherheitschefin der Station. Ro, Vic Fontaine.«
    Mit dem Geschick eines erfahrenen Bühnenmagiers gelang es Vic, Ros Hand an seine Lippen zu führen, ohne dass sie ihn gleich quer über den Nachbartisch schleuderte. Sie ist sicher absolut begeistert! , dachte Quark. Mit einem Mal war ihm, als stünde er kurz vor einem der lukrativsten Geschäftsabschlüsse aller Zeiten.
    Dann merkte er, dass Ros Stirn kaum weniger Falten aufwies als ihre Nase.
    Auch Vic schien ihre Skepsis nicht zu entgehen. »Verzeihen Sie mir die Bemerkung, aber für jemanden, der einen schönen Abend genießen will, sind Sie nicht gerade bei der Sache.«
    »Demnach sind Sie Berührungstelepath und Sänger«, gab sie zurück.
    Lachend schüttelte er den Kopf. »Die Zaubertricks überlasse ich lieber Harry Blackstone. Aber ich müsste schon ein ziemlicher Clyde sein, um nicht zu merken, dass etwas an Ihnen nagt. Nichts für ungut, aber auf Ihrer ansonsten bezaubernden Stirn könnte ein Koch momentan seine Kartoffeln reiben. Ich glaube, ihr braucht schnell was zu trinken. Die erste Runde geht auf mich.«
    Ro lächelte irritiert. »Quark, ich hatte vermutet, dass du versuchen würdest, mich zu verführen. Aber ich hätte nie gedacht, dass du mich einer heimlichen Counselor-Sitzung