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Kathedrale

Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels
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Moment glaubte Solis, Feindseligkeit in den Augen des Vorsitzenden aufflammen zu sehen. »Ja, Vedek Solis?«
    Solis stand auf und strich sein Gewand glatt. Alle Blicke ruhten auf ihm, und viele wirkten skeptisch. Seit er öffentlich die Prophezeiungen Ohalus gelobt hatte und für das Amt des Kais kandidierte, polarisierte er sehr und wusste es auch. Entweder war man für oder gegen ihn. Doch es gab nach wie vor ein paar wenige, die sich noch keine Meinung über ihn gebildet hatten. Dies galt auch für die Vedeks – und genau zu diesen wenigen Unentschlossenen wollte er nun sprechen.
    »Wir sind ein Volk, das jetzt in die Zukunft blickt, und sich fragt, was diese bringt«, begann er und ließ seinen Blick von einem Vedek zum nächsten wandern. »Indem wir der Föderation beitreten, verschreiben wir uns einer galaktischen Gemeinschaft, deren Größe die unsere in den Schatten stellt. Jedes denkende Wesen auf jedem einzelnen Föderationsplaneten bringt eine Geschichte mit, eine Tradition, angeblich altbewährte Methoden. Manche von diesen bergen Konfliktpotenzial. Manche Personen innerhalb der Föderation glauben an einen einzelnen Gott als Schöpfer aller Dinge, der vom Himmel aus über sie wacht. Andere an ein Götterpantheon, deren Mitglieder für einzelne Elemente des Lebens stehen. Wieder andere lehnen die Existenz von Göttern ganz ab und glauben, das Leben sei ein kosmischer Zufall. Und einige denken, sie könnten selbst zu Göttern werden, wenn sie zeitlebens nur hart genug an sich arbeiteten.«
    Er hielt inne und atmete tief durch. »Dies sind nur einige der diversen Glaubensmodelle, die die Wesen vertreten, denen wir uns mit unserem Föderationsbeitritt anschließen werden. Die Föderation ist ein Konstrukt – facettenreich und stetigem Wandel unterzogen. Voller Wesen, die unentschlossen, atheistisch oder agnostisch veranlagt sind. Wir stehen kurz davor, uns all diesen Wesen anzuschließen, seien sie nun gläubig, esoterisch oder empirisch geprägt. Wesen, denen das Bedürfnis nach Frieden, Forschung und Entwicklung gemein ist.«
    Einige Vedeks runzelten abfällig die Stirn. Doch Solis entging nicht, dass der Großteil der Anwesenden nickte, wenn auch nur schwach. Also fuhr er fort. »Das Volk Bajors findet seinen Antrieb im Glauben an unsere Propheten. Und obwohl wir es manchmal verleugnen, wird Bajor von seiner Theokratie regiert. In der Ministerkammer sitzen die edelsten und gläubigsten Söhne und Töchter dieser Welt, und viele von ihnen wohnen den sakralen Zeremonien bei, die wir ausrichten. Sogar der Name unseres Planeten basiert auf unserem Glauben. Wären die Dinge vor Jahrtausenden anders verlaufen, hießen wir heute vielleicht Perikianer oder Endtreeaner. Aber wir sind Bajoraner . Unser Glaube definiert uns. Doch bedeutet Glaube automatisch auch, dass wir die Lehren der Propheten kritiklos annehmen müssen? Dass wir den Willen der Propheten nicht interpretieren, nicht hinterfragen? Wie viele von uns sahen die Besatzung als Willen der Propheten an, als grauenvollen Test, den zu bestehen uns auferlegt wurde? Wie viele von uns interpretierten sie als den Moment, in dem die Propheten uns verließen oder entschieden, uns zu bestrafen? Und doch, auch wenn wir dies glaubten, verloren wir unseren Glauben nie. Wir interpretierten das Geschehen schlicht auf eine Weise, die ihn bekräftigte.«
    Abermals sah er sich um. »Die meisten von uns, die wir hier heute versammelt sind, haben die Macht der Propheten durch die Drehkörper erfahren – selbst die Ranjens. Die Drehkörper sind ein fassbarer, körperlicher Beweis dafür, dass es jenseits von Bajor eine Macht gibt, die uns übertrifft. Eine Macht, die die Wirklichkeit formen, die zerstören, die erschaffen kann. Und doch sind wir am Ende unserer Drehkörpererfahrungen allein mit der Frage, was die Propheten uns mit ihnen sagen wollen. Nie haben sie uns Interpretationsleitfäden zur Hand gegeben. Trotzdem kehren wir von den Drehkörpern zurück und erklären unsere Interpretation unserer erlebten Einheit mit den Propheten zum Wort der Propheten. Wir gründen den Fortlauf unserer Welt auf einem Gefühl, agieren als Übersetzer ihrer Wünsche.«
    Solis räusperte sich. Er sah, wie Bellis ihn anstarrte und sich irgendetwas in den Schnurrbart murmelte. »Durch unseren Föderationsbeitritt«, fuhr er fort, »werden wir eine von über einhundertfünfzig Welten, eins mit Hundertmilliarden Lebewesen – und jede und jedes von ihnen bringt eigene Glaubenssysteme

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