Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kathedrale

Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels
Vom Netzwerk:
mit, eigene Überzeugungen. Wir predigen ihnen nicht von den Propheten, weil wir ihre Systeme respektieren, und im Gegenzug erachten sie unseren Glauben als nicht minder respektabel als den ihren. Wer von uns, die wir in dieser wunderbaren, riesigen Galaxis der unbegrenzten Möglichkeiten leben, kann schon sagen, die Götter der Andorianer oder Betazoiden seien weniger real als unsere Propheten?«
    Wieder zögerliches Nicken. Wieder böse Blicke. »In dieser Zeit des Anschlusses und der Offenheit plagen dringende Sorgen die religiösen Anführer Bajors«, sagte Solis. »Körperlich wie metaphysisch befinden wir uns an einer Kreuzung und müssen wählen, welchen Weg unser Volk einschlagen soll. Unser Verhältnis zu Cardassia nähert sich einem Stadium friedlicher Koexistenz, aber werden wir diesen Friedenspfad weiter beschreiten oder ihn uns von unserer Trauer, unserer Wut und unserem Zorn über die Besatzung versperren lassen? Auch unser Glaube an die Propheten sieht sich Herausforderungen gegenüber. Manche Bajoraner finden, die Prophezeiungen aus dem Buch Ohalu verdienten Anerkennung und seien legitimiert. Werden wir zulassen, dass unser Volk seinen Glauben und seine Propheten hinterfragt, um verändert oder im Glauben bekräftigt aus dieser Krise hervorzutreten?«
    Bellis stand auf und ergriff das Wort. »Wir wissen, dass Sie diese sogenannte Ohalavaru-Bewegung anführen, Solis. Ihre liberalen Plattitüden mögen auf der Straße und bei Ihren eigenen Versammlungen Anklang finden, hier in diesen heiligen Hallen sind sie aber Häresie!«
    »Ist Ihr Glaube an die Propheten so schwach, Vedek Bellis, dass Sie nicht jenen zuhören können, deren Meinung sich von Ihrer unterscheidet?« Solis’ Stimme blieb fest, und er lächelte die ihn in der halbkreisförmigen Kammer umgebenden Vedeks freundlich an. Bellis nahm lautstark Platz und grunzte ungehalten.
    Solis sprach weiter. »Ich kenne eine Person, deren Vertrauen in die Propheten sich mit unserem messen kann … vielleicht sogar stärker als bei manchen von uns ist. Ihr Pagh ist stark, ihre Taten stets, stets von ihrer Liebe zum bajoranischen Volk geprägt. Im Laufe der Jahre stand ich nicht hinter jeder dieser Taten, und ich weiß, dass auch viele von Ihnen mitunter Missfallen äußerten. Und doch waren die Absichten dieser Person immer und uneingeschränkt nobel, ihr Glaube rein. Kira Nerys zählt zu unseren Besten.«
    Er wartete, doch das befürchtete Keuchen blieb aus. »Sie zu kennen, ist mir eine Ehre. Und ich bin nicht im Geringsten überrascht, dass der Abgesandte und seine Frau viel von ihr halten. Vor einigen Wochen verwies die Gattin des Abgesandten Vedek Yevir des Hauses, hieß Kira allerdings willkommen. In ihrer Obhut erholte sich Kira von schweren Verletzungen, die wir ihr zufügten – wir, die Bajoraner, wir, die Miliz, wir, die Gläubigen. Wir haben sie als Befleckt erklärt und unseres Glaubens verwiesen.«
    Er faltete die Hände vor der Brust. »Diese überaus harte Strafe ist ein Eklat! Sie lastet schwer auf dem Gewissen unserer Welt und droht, das Volk gründlicher zu spalten, als es die von Kira veröffentlichten Worte Ohalus je könnten.«
    Abermals ließ er die Worte sacken. Dann setzte er zum Finale an. »Meine geehrten Mit-Vedeks, ich beschwöre Sie: Erlösen Sie Kira Nerys von ihrer Befleckung. Ich weiß, dass sie ihren Glauben an die Propheten nicht verloren hat. Bitte lassen Sie nicht zu, dass die Bajoraner ihn verlieren – nicht nur den Glauben an die Propheten, sondern auch den Glauben an uns –, weil wir ungerecht stark bestrafen.«
    Als er sich endlich setzte, begann er, zu zweifeln. Überall sah er nachdenkliche Gesichter. Einige Köpfe nickten zustimmend, andere wurden in wütender Ablehnung geschüttelt.
    Vedek Eran atmete tief ein und bat um Handzeichen.
    Mika hatte den Raum kaum betreten, da sah sie die Entscheidung der Versammlung bereits in Solis’ sorgenvollen Zügen. Das flackernde Kerzenlicht spiegelte sich in den Tränen, die seine Wangen hinabliefen.
    »Du hast dein Bestes gegeben, Onkel«, sagte sie und hockte sich neben ihn. »Jeder, der deine Worte hörte, war bewegt.«
    Er schnaubte und fuhr sich über die Wangen. »Nicht genug, wie es aussieht. Und nicht unbedingt in die richtige Richtung. Ich fürchte, meine Worte könnten den Spalt sogar noch vergrößert haben.«
    »Nein«, widersprach sie. Als er wegschauen wollte, packte sie sein Kinn mit der Hand und zwang ihn, sie anzusehen. » Nein «, wiederholte sie

Weitere Kostenlose Bücher