Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Ihre Gerichte dort fast nur Konserven. Das Essen ist so gut wie ungenießbar, aber das Hotel ist hübsch. Nach unserem Gespräch möchte ich Sie zum Essen einladen, wenn Sie keine anderen Pläne haben. Dann werden Sie auch etwas von der Stadt sehen.“
Der herzliche Empfang verwirrte mich. Vermutlich sah er es mir an, denn er fügte hinzu: „Sie wundern sich vermutlich, daß man Sie so schnell in mein Büro geführt hat.“
„Ich muß gestehen, man hatte mich darauf vorbereitet, daß es etwas länger dauern werde.“
„Sehen Sie, Mademoiselle ... darf ich Sie Katherine nennen?... Gut, sagen Sie Kamel zu mir, das ist mein Vorname. In unserer Kultur ist es sehr unhöflich, einer Frau etwas abzuschlagen. Es gilt als unmännlich. Wenn eine Frau sagt, sie hat eine Verabredung mit einem Minister, dann läßt man sie nicht in Vorzimmern warten, sondern bittet sie sofort herein!“ Er lachte mit seiner wundervollen Stimme. „Nachdem Sie jetzt das Erfolgsrezept kennen, können Sie sich sogar einen Mord leisten.“ Kamels Profil mit der langen römischen Nase und der hohen Stirn hätte von einer Münze stammen können. Das kam mir bekannt vor. „Sind Sie Kabyle?“ fragte ich unvermittelt.
„Ja!“ Er fühlte sich offenbar sehr geschmeichelt. "Woher wissen Sie das?“
„Nur eine Vermutung“, erwiderte ich.
„Sehr gut geraten. In den Ministerien sind viele Kabylen. Wir stellen zwar weniger als fünfzehn Prozent der algerischen Bevölkerung, aber wir Kabylen bekleiden achtzig Prozent der hohen offiziellen Stellen. Die goldenen Augen verraten uns immer. Wir haben sie, weil wir auf das Geld sehen.“ Er lachte.
Der Minister war so gut gelaunt, daß ich fand, es sei an der Zeit, ein sehr schwieriges Thema anzuschneiden, obwohl ich nicht genau wußte wie. Immerhin hatte er die Partner meiner Firma aus seinem Büro hinauskomplimentiert, weil sie seine Tennispläne störten. Was würde mich davor bewahren, ausgewiesen zu werden? Aber ich befand mich im Allerheiligsten - diese Chance würde sich vermutlich nicht so bald wieder bieten. Ich beschloß, den Vorteil zu nutzen.
„Hören Sie, ich muß mit Ihnen über etwas sprechen, ehe mein Kollege am Ende der Woche hier eintrifft“, fing ich an.
„Ihr Kollege?“ fragte er und setzte sich hinter den Schreibtisch. Bildete ich mir nur ein, daß er plötzlich vorsichtig wirkte?
„Um genau zu sein, mein Vorgesetzter“, erwiderte ich. „Meine Firma hat beschlossen, daß dieser Herr an Ort und Stelle sein muß, um alles zu beaufsichtigen, denn wir haben noch keinen unterschriebenen Vertrag. Offen gesagt, setze ich mich über die Anweisungen hinweg, indem ich heute hierhergekommen bin. Aber ich habe den Vertrag gelesen“, fügte ich schnell hinzu, zog eine Kopie aus meiner Aktentasche und legte sie auf den Schreibtisch, „und sehe eigentlich nichts darin, was soviel Umsicht verlangen würde.“
Kamel warf einen Blick auf den Vertrag und sah mich dann an. Er faltete die Hände wie zum Gebet und senkte den Kopf, als denke er nach. Ich zweifelte nicht daran, daß ich zu weit gegangen war. Schließlich sagte er:
„Sie setzen sich also über Bestimmungen hinweg? Interessant. Ich würde gerne wissen, warum.“
„Dies ist ein ‚Rahmenvertrag’ über die Arbeit eines Beraters“, erklärte ich mit einer Geste auf die Papiere, die immer noch unberührt auf dem Schreibtisch lagen. „Er sieht vor, daß ich Analysen der Rohölvorräte vornehme - ungeförderter und geförderter. Dazu brauche ich einen Computer, mehr nicht - und einen unterschriebenen Vertrag. Ein Vorgesetzter würde mich vermutlich nur ablenken.“
„Ich verstehe“, sagte Kamel, aber er lächelte immer noch nicht. „Sie geben mir eine Erklärung, ohne meine Frage zu beantworten. Ich stelle Ihnen eine andere Frage: Wissen Sie etwas über die Fibonacci-Zahlen?“
Mit Mühe gelang es mir, einen Ausruf zu unterdrücken. „Nicht sehr viel“, gestand ich. „Man benutzt sie für Börsenprognosen. Könnten Sie mir sagen, weshalb Sie sich für ein so - sagen wir wissenschaftliches Thema interessieren?“
„Gern“, sagte Kamel und drückte einen Knopf. Kurz darauf brachte ein Angestellter eine Ledermappe, reichte sie Kamel und verschwand wieder.
„Die algerische Regierung“, sagte er, holte ein Dokument aus der Tasche und reichte es mir, „glaubt, daß unsere Rohölvorkommen begrenzt sind. Es ist noch Öl vorhanden für etwa acht Jahre. Vielleicht finden wir in der Wüste noch mehr Öl, vielleicht aber auch nicht. Zur
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