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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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nur einmal gesehen“, berichtete Minnie, „als ich ihn als Spieler wählte, so wie ich Sie gewählt habe. Er hat Sie damals sehr empfohlen, aber er wußte nicht, daß ich in New York war, um Sie zu treffen. Ich mußte mich vergewissern, daß Sie wirklich diejenige sind, die ich brauche, und daß Sie die erforderlichen Fähigkeiten besitzen.“ „Was für Fähigkeiten?“ fragte Lily, noch immer über ihr Spiel gebeugt. „Sie kann nicht einmal Schach spielen.“
„Nein, aber Sie, Lily“, erwiderte Minnie, „zusammen sind Sie ein perfektes Team.“ „Team?“ rief ich entsetzt und sah mich mit Lily wie ein Känguruh mit einer Kuh vor einen Wagen gespannt. Sie spielte zweifellos besser Schach als ich, aber wenn es um die Wirklichkeit ging, dann war Lily unmöglich und unberechenbar. „Gut, wir haben eine Dame, einen Springer, einen Turm und ein paar Bauern“, sagte Lily und sah Minnie mit ihren grauen Augen an, „und die Gegenseite? Was ist mit John Hermanold, der auf meinen Wagen geschossen hat, oder meinem geliebten Onkel Llewellyn und seinem Geschäftspartner, dem Teppichhändler - wie heißt er noch?“
„El-Marad“, sagte ich und wußte in diesem Moment, welche Rolle er spielte. Es war nicht schwer zu erraten — ein Mann, der wie ein Einsiedler in den Bergen lebte, nie sein Dorf verließ und doch überall in der Welt Geschäftsbeziehungen hatte, den alle haßten und fürchteten, die ihn kannten - und der hinter den Figuren her war wie der Teufel hinter der armen Seele. „Er ist der weiße König“, sagte ich. Minnie war plötzlich leichenblaß geworden. Sie sank auf einen Sessel neben mir. „Sie haben El-Marad getroffen?“ fragte sie flüsternd. „Vor ein paar Tagen in der Kabylei“, erwiderte ich, „er scheint sehr viel über Sie zu wissen. Er hat mir gesagt, Ihr Name sei Mochfi Mochtar, Sie würden in der Kasbah leben und Sie hätten die Schachfiguren. Er meinte, Sie würden sie mir verkaufen, wenn ich Ihnen sage, daß ich am vierten April geboren bin.“
„Dann weiß er sehr viel mehr, als ich dachte“, murmelte Minnie erschrocken. Sie nahm einen Schlüssel und schloß das Metallkästchen auf. „Aber etwas weiß er offensichtlich nicht, sonst hätte er nie zugelassen, daß Sie ihn kennenlernen. Er weiß nicht, wer Sie sind!“ „Wer ich bin?“ fragte ich verwirrt. „Ich habe mit diesem Spiel nichts zu tun. Viele Menschen sind am vierten April geboren, und viele Menschen haben merkwürdige Linien in
der Hand. Das ist doch alles lächerlich. Und ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen soll.“ „Sie sollen mir nicht helfen“, erklärte Minnie energisch und öffnete das Kästchen. „Sie sollen meinen Platz einnehmen.“ Sie beugte sich vor, schob Lilys Arm vom Schachbrett und zog die schwarze Dame vor. Lily bekam große Augen und starrte die kleine Figur auf dem Schachbrett an. Dann ergriff sie plötzlich meine Hand und rief: „Das ist es!“ und hüpfte wie verrückt auf ihrem Kissen auf und ab. Carioca nutzte die Gelegenheit, stahl sich ein Stück Gebäck und verschwand damit unter dem Tisch. „Paß auf! So kann die schwarze Dame Weiß parieren und den König
zwingen, auf das Brett zu kommen - er muß aus seinem Versteck heraus. Aber die Dame wird nur von diesem vorgeschobenen Bauern geschützt...“ Ich gab mir Mühe, zu verstehen. Auf dem Brett standen acht schwarze Figuren auf schwarzen Feldern, die anderen auf weißen. Und vor ihnen, an der Grenze des weißen Territoriums, befand sich ein schwarzer Bauer, den ein Turm und ein Springer schützten. „Ich wußte, Sie würden gut zusammenarbeiten“, sagte Minnie lächelnd. „Das ist beinahe die richtige Rekonstruktion des heutigen Spielstandes, oder sagen wir, dieser Runde.“ Mit einem Blick auf mich fügte sie hinzu: „Fragen Sie doch die Enkelin von Mordecai Rad, wer die lebenswichtige Figur ist, auf die sich das Spiel jetzt konzentriert!“
Ich sah Lily an, die ebenfalls lächelte und mit ihrem langen roten Fingernagel auf den vorgeschobenen Bauern klopfte. „Nur eine Dame kann eine Dame ersetzen“, sagte Lily, „und das scheinst du zu sein.“ „Was soll das heißen?“ fragte ich. „Ich bin doch ein Bauer.“
„Richtig. Aber wenn ein Bauer die Reihen der gegnerischen Bauern durchbricht und das achte Feld der Gegenseite erreicht, kann man ihn in jede beliebige Figur verwandeln - auch in eine Dame. Wenn dieser Bauer das achte Feld erreicht, kann er die schwarze Dame ersetzen!“

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