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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Autoren: Malaxis
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Buonaparte, junger Mann - ein guter Freund deiner Mutter. Aber warum ist sie nicht bei dir? Im Lager hat man mir gesagt, du seist allein gekommen, um mit mir zu sprechen.“ Napoleon fuhr mit der Hand durch Charlots rote Haare. Dann schob er die Handschuhe unter den Gürtel, stand auf und verbeugte sich förmlich vor Schahin. „Und Sie müssen Schahin sein“, sagte er, ohne auf eine Antwort des Kindes zu warten. „Meine Großmutter, Angela-Maria di Pietra-Santa, hat oft von Ihnen erzählt und gesagt, Sie seien ein großer Mann. Sie hat die Mutter dieses Jungen zu Ihnen in die Wüste geschickt. Das muß etwa vor fünf oder sogar noch mehr Jahren gewesen sein...“
Schahin nahm ernst den Schleier vom Mund. „Al-Kalim bringt eine Nachricht von großer Dringlichkeit“, sagte er ruhig. „Sie ist nur für Ihre Ohren bestimmt.“ 
„Aber, aber“, sagte Napoleon mit einer Handbewegung in Richtung der Reiter, „das sind nur meine Offiziere. Wir brechen im Morgengrauen nach Syrien auf - es wird ein harter Marsch werden. Was es auch sein mag, es hat Zeit bis heute abend. Ich lade euch als meine Gäste zum Abendessen im Palast des Beis ein.“ Er drehte sich um und wollte gehen, aber Charlot ergriff seine Hand. „Dieser Feldzug steht unter einem schlechten Zeichen“, sagte der kleine Junge. Napoleon sah ihn verwundert an, aber Charlot sprach weiter. „Ich sehe Hunger und Durst. Viele Männer werden sterben, und nichts wird gewonnen. Sie müssen sofort nach Frankreich zurückkehren. Dort werden Sie ein großer Herrscher werden. Sie werden große Macht auf Erden haben aber nur fünfzehn Jahre. Dann ist alles zu Ende...“ Napoleon zog seine Hand zurück. Seine Offiziere sahen verlegen zu. Der junge General warf den Kopf zurück und lachte. „Ich habe gehört, man nennt dich den kleinen Propheten“, sagte er und lächelte Charlot an. „Im Lager erzählt man, daß du den Soldaten alles mögliche prophezeit hast - wie viele Kinder sie bekommen werden, in welchen Schlachten sie Ruhm oder den Tod finden. Ich wünschte nur, solche Visionen gäbe es tatsächlich. Denn wenn Generäle Propheten wären, könnten sie viele Fallen und Niederlagen vermeiden.“
„Es gab einmal einen General, der gleichzeitig ein Prophet war“, sagte Schahin leise, „sein Name ist Mohammed.“
„Auch ich habe den Koran gelesen, mein Freund“, sagte Napoleon lächelnd, „aber Mohammed kämpfte für den Ruhm Gottes. Wir armen Franzosen kämpfen nur für den Ruhm Frankreichs.“
„Wehe dem, der für den eigenen Ruhm kämpft“, sagte Charlot. Napoleon hörte das Gemurmel seiner Offiziere im Rücken und sah Charlot durchdringend an. Er lächelte nicht mehr. An seinem Gesicht konnte man ablesen, daß er darum kämpfen mußte, die Beherrschung nicht zu verlieren. „Ich lasse mich nicht von einem Kind schulmeistern“, brummte er und fügte lauter hinzu: „Ich glaube kaum, daß mein Ruhm so hell strahlt, wie du zu glauben scheinst, mein junger Freund - oder auch so schnell erlöschen wird. Ich breche bei Tagesanbruch nach Syrien auf, und nur ein Befehl meiner Regierung wird meine Rückkehr nach Frankreich beschleunigen.“
Er drehte sich um, ging zu seinem Pferd, schwang sich in den Sattel und befahl einem der Offiziere, Charlot und Schahin zum Abendessen nach Kairo in den Palast zu bringen. Dann ritt er allein in die Wüste, während die anderen ihm stumm nachsahen. Schahin erklärte den verwirrten Offizieren, sie könnten sich getrost auf den Rückweg machen, denn der Junge habe die Pyramiden noch nicht aus der Nähe gesehen. Als die Männer zögernd die Pferde bestiegen, nahm Schahin den Kleinen an der Hand, und sie wanderten allein über die große, weite Ebene. „Schahin“, sagte Charlot nachdenklich, „warum war General Buonaparte so ärgerlich über meine Worte? Ich habe ihm doch nur die Wahrheit gesagt.“
Schahin schwieg eine Weile, dann antwortete er: „Stell dir vor, du wärst in einem dunklen Wald und könntest nichts sehen. Nur eine Eule würde dich begleiten, die sehr viel besser sieht als du, denn ihre Augen sind für die Nacht geschaffen. Diese Art Sicht besitzt du - du siehst, wo andere in Dunkelheit gehen. Würdest du dich an Stelle der anderen nicht auch fürchten?“ „Vielleicht“, erwiderte Charlot, „aber ich wäre bestimmt nicht ärgerlich, wenn die Eule mich vor einer Falle warnte, in die ich geriete, wenn ich ahnungslos weiterginge.“ Schahin sah den Jungen an, und
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