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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Autoren: Malaxis
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Bahnsteig stand, rief sie noch: „Wenn es Probleme gibt oder ich nicht um neun am Treffpunkt sein kann, hinterlasse ich über Nims Computer eine Nachricht ...“
    Es waren zwar nur etwa siebzig Kilometer bis Montauk Point, aber die Fahrt dauerte über eine Stunde. Mit Wartezeiten und dem Weg zum Bahnhof waren vielleicht zwei Stunden vergangen, seit ich Nim meine Nachricht übermittelt hatte. Ich rechnete jedoch nicht damit, ihn zu sehen - denn soweit ich aus eigener Erfahrung wußte, hörte er vermutlich einmal im Monat die eingegangenen Nachrichten ab.
    Deshalb überraschte es mich, als ich noch im Zug die große, schlanke Gestalt auf dem Bahnsteig entdeckte. Die kupferroten Haare wehten im Wind, der lange weiße Schal flatterte bei jedem Schritt. Als er mich sah, sprang er wie ein Verrückter in die Luft, winkte mit den Armen und stürmte ohne Rücksicht auf die Fahrgäste los, die ihm irritiert auswichen. Als er mich erreicht hatte, riß er mich mit beiden Händen an sich und zog mich in seine Arme. Er vergrub das Gesicht in meine Haare und druckte mich so fest, daß ich keine Luft mehr bekam. Er hob mich hoch, wirbelte mich herum, setzte mich wieder ab und sah mich mit Tränen in den Augen an.
    „Mein Gott! Mein Gott!“ rief er mit heiserer Stimme und schüttelte immer wieder den Kopf. „Ich dachte, du bist tot. Ich habe nicht mehr geschlafen, seit ich wußte, daß du Algier verlassen hattest. Dieser Sturm - und dann keine Spur mehr von dir!“ Er verschlang mich geradezu mit den Augen. „Ich war fest davon überzeugt, dich umgebracht zu haben, indem ich dich dort hingeschickt hatte...“
    „Mit dir als Ratgeber war mein Leben mehr als einmal in Gefahr“, sagte ich lachend.
    Er strahlte immer noch und umarmte mich wieder, als er plötzlich erstarrte und langsam die Arme sinken ließ. Ich sah erstaunt zu ihm auf. Nim blickte ungläubig staunend über meine Schulter - oder war es Angst? Ich war nicht sicher.
    Ich drehte mich schnell um und sah Solarin gerade aus dem Zug steigen. Er schleppte unsere Taschen. Sein Gesicht hatte denselben maskenhaften Ausdruck wie an dem ersten Tag im Metropolitan Club. Seine Augen richteten sich auf Nim, Ich drehte mich wieder um und wollte Nim gerade erklären, wer das war, aber Nims Lippen bewegten sich, als sei Solarin ein Gespenst oder ein Ungeheuer. Ich hörte ihn immer wieder tonlos flüstern:
    „Sascha? Sascha? Sascha!“
    Ich fuhr herum. Solarin stand regungslos auf dem Trittbrett des Wagens. Die Fahrgäste hinter ihm warteten, daß es endlich weiterging. Seine Augen füllten sich mit Tränen - Tränen liefen ihm über das Gesicht.
    „Slawa!“ schrie er, und die Stimme versagte ihm. Er ließ die Taschen fallen, sprang vom Trittbrett, war mit einem Satz an mir vorbei und warf sich Nim in die Arme. Es sah aus, als wollten sie sich gegenseitig erdrücken. Ich holte schnell die Taschen und den Beutel mit den Figuren. Die beiden hielten sich immer noch umarmt. Nims Arme lagen um Solarins Kopf, er drückte ihn immer wieder an sich. Sie sahen sich abwechselnd fassungslos an und umarmten sich, während ich staunend zusah. Die Fahrgäste liefen um ums herum wie Wasser um Steine
- so gleichgültig können nur die New Yorker sein.
    „Sascha“, murmelte Nim immer wieder und schluchzte. Solarins Gesicht lag an Nims Brust. Er hatte die Augen geschlossen, und die Tränen strömten ihm über die Wangen. Mit einer Hand hielt er sich an Nims Schulter, als sei er zu schwach zum Stehen. Ich konnte es nicht glauben.
    Als die letzten Fahrgäste verschwunden waren, griff ich nach den Taschen. „Laß nur, ich mach das schon“, rief Nim und putzte sich die Nase. Er hatte den einen Arm immer noch um Solarins Schulter gelegt und drückte ihn, als wolle er sich noch einmal überzeugen, daß er wirklich aus Fleisch und Blut war.
„Mir scheint, ihr beide habt euch schon einmal gesehen“, sagte ich gereizt. Warum hatte mir keiner etwas davon gesagt?
„Seit zwanzig Jahren nicht mehr“, erwiderte Nim und strahlte Solarin an, der sich nach den Taschen bückte. Dann richteten sich die Augen mit den verschiedenfarbigen Pupillen auf mich. „Ich kann es nicht glauben, Kleines. Du ahnst nicht, welche Freude du mir gemacht hast. Sascha ist mein Bruder.“
    Nims kleiner Morgan war nicht groß genug für uns drei, von den Taschen ganz zu schweigen. Solarin saß auf seinem Beutel mit den Figuren, und ich saß auf ihm, unsere anderen Habseligkeiten steckten überall, wo Platz war.
    Es berührte mich
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