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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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legte uns die Hände auf die Schultern. Ich kann mit meiner Familie nicht bei diesem Wetter über das Meer fahren. Du hättest uns benachrichtigen sollen. Das kannst du nicht von mir verlangen...“
„Ich sage dir, wir müssen fliehen!“ rief sie erregt. „Seit fünfzehn Jahren weißt du, daß dieser Tag kommen würde, und jetzt ist es soweit! Ich komme aus Leningrad ...“
„Du hast sie gefunden?“ fragte unser Vater.
„Von dem Brett keine Spur, aber ich habe diese bei mir.“ Sie schlug den Umhang zurück und stellte nicht eine, sondern drei Schachfiguren auf den Boden vor den Kamin - sie funkelten silbern und golden.
„Sie waren in Verstecken über ganz Rußland verteilt“, erklärte sie. Unser Vater sah die Figuren wie gebannt an, während wir uns davorknieten und sie vorsichtig berührten - ein goldener Bauer, ein silberner mit Edelsteinen besetzter Elefant und ein silbernes Pferd, das auf den Hinterbeinen stand und die Nüstern blähte.
„Du mußt sofort zum Hafen hinunter und ein Schiff klar zum Auslaufen machen“, flüsterte Minnie. „Ich komme mit den Kindern nach, sobald sie angezogen sind und alles gepackt ist. Aber beeile dich um Himmels willen - und nimm sie mit!“ Minnie wies auf die Schachfiguren.
„Aber denk doch an meine Kinder und meine Frau“, widersprach er, „ich bin für ihr Leben und ihre Sicherheit verantwortlich.“
Minnies Augen leuchteten mit einer noch unheimlicheren Glut als die märchenhaften Figuren. „Wenn sie in die Hände der anderen fallen, wirst du niemanden mehr schützen können!“ rief sie.
Unser Vater sah sie lange an und nickte langsam. „In Sewastopol liegt ein Schoner“, sagte er leise, „Slawa weiß, wo er ankert. Ich brauche höchstens zwei Stunden, um ihn zum Auslaufen klarzuhaben. Kommt, so schnell ihr könnt, und möge Gott mit uns sein.“ Minnie drückte ihm den Arm, und er eilte die Treppe hinauf.
Wir mußten uns anziehen. Dann kamen unsere Eltern herunter. Vater umarmte Mutter noch einmal. Er drückte das Gesicht in ihre Haare, als wolle er sich an ihren Duft erinnern, und küßte sie auf die Stirn. Minnie gab ihm die Schachfiguren, und er verschwand mit einem ernsten Nicken in der Nacht.
Mutter bürstete sich die Haare. Mit Tränen in den Augen schickte sie uns zum Packen nach oben. Wir hörten noch, wie sie zu Minnie sagte:
„Da bist du also. Möge Gott dich dafür strafen, daß du das Spiel wieder in Gang gesetzt hast. Ich dachte, es sei vorüber und endgültig vorbei.“
„Nicht ich habe das Spiel begonnen“, erwiderte Minnie. „Sei dankbar für die fünfzehn Jahre Frieden, die dir vergönnt waren. Dein Mann liebt dich, und du hast deine Kinder. Fünfzehn Jahre konntest du die Gefahr vergessen. Das war mir nicht vergönnt. Ich habe dich aus dem Spiel herausgehalten...“
Dann hörten wir draußen Schritte, und jemand hämmerte an die Haustür. Wir wollten aus dem Zimmer laufen, als Minnie plötzlich erschien. Ein überirdisches Licht erbeute ihr Gesicht. Die Tür wurde eingeschlagen, wir hörten Männer schreien. Unsere Mutter eilte zur Treppe.
„Durch das Fenster!“ befahl Minnie und hob uns auf die Äste des Feigenbaums, der dicht vor dem Haus stand. Wir hingen wie Äffchen an dem Baum, den wir täglich erkletterten, als wir unsere Mutter schreien hörten.
„Flieht!“ rief sie. „Rettet euer Leben!“ Es regnete in Strömen, und wir ließen uns auf die weiche, nasse Erde fallen.
    Das große Eisentor von Nims Anwesen öffnete sich. Entlang der Auffahrt glänzten im Licht der Nachmittagssonne die dunklen Blätter der Bäume. Um den Springbrunnen blühten jetzt bunte Dahlien und Zinnien.
    Nim hielt vor dem Haus und sah mich an. Ich spürte Solarins Spannung.
„Wir haben unsere Mutter nie wieder gesehen“, sagte Nim. „Minnie sprang aus dem Fenster im ersten Stock und rannte mit uns durch die Obstbäume. Über den prasselnden Regen und den heulenden Wind hinweg hörten wir die Schreie unserer Mutter und das Getrampel der Männer. „Durchsucht den Wald!“ hörten wir jemanden rufen, während Minnie mit uns zu den Klippen lief.“ Nim schwieg und sah mich an.
„Mein Gott“, murmelte ich und zitterte von Kopf bis Fuß, „sie haben eure Mutter umgebracht... Wie seid ihr entkommen?“
„Am Ende des Obstgartens fielen die Felsen steil zum Meer ab“, erzählte Nim weiter. „Minnie versteckte sich mit uns unter einer vorspringenden Felsplatte. Sie hielt etwas in der Hand, das wie eine kleine, in Leder gebundene Bibel aussah. Minnie

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