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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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nahm ein Messer, trennte ein paar Seiten heraus, faltete sie schnell und steckte sie mir in das Hemd. Dann befahl sie mir, so schnell ich konnte, zu dem Schiff zu laufen. Ich sollte meinem Vater sagen, er solle auf sie und Sascha warten, aber nur eine Stunde. Danach sollten mein Vater und ich fliehen, um die Schachfiguren in Sicherheit zu bringen. Ich wollte nicht ohne meinen Bruder gehen.“ Nim sah Solarin ernst an.
„Aber ich war damals erst sechs“, erklärte Solarin, „ich konnte nicht so schnell über die Felsen klettern wie Ladislaus. Er war vier Jahre älter und schnell wie der Wind. Minnie fürchtete, daß man uns alle entdecken und festnehmen werde, weil ich zu langsam war. Als Slawa ging, küßte er mich und ermahnte mich, tapfer zu sein...“
Tränen standen in Solarins Augen, als er sich an die schrecklichen Ereignisse erinnerte. „Minnie und ich kletterten dann scheinbar eine Ewigkeit im Sturm in den Klippen herum. Schließlich erreichten wir die Anlegestelle - aber das Schiff meines Vaters war nicht mehr da.“
Nim stieg aus dem Wagen. Sein Gesicht wirkte wie versteinert. Er kam auf unsere Seite, öffnete die Tür und half mir beim Aussteigen.
„„Ich stürzte immer wieder“, sagte er, „ich war bis auf die Haut naß und blutete aus vielen Schürfwunden. Als mein Vater mich allein kommen sah, war er entsetzt. Ich erzählte ihm alles, auch das, was Minnie über die Schachfiguren gesagt hatte. Mein Vater weinte. Er hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und schluchzte wie ein Kind. „Was würde geschehen, wenn wir zurückkehren, wenn wir versuchen, sie alle zu retten?“ fragte ich ihn. „Was würde geschehen, wenn die Figuren den Männern in die Hände fallen?“ Er sah mich an. Die Regentropfen vermischten sich mit seinen Tränen. „Ich habe deiner Mutter geschworen zu verhindern, daß so etwas geschieht“, erwiderte er, „auch wenn wir alle sterben müssen ...“
„Ihr seid wirklich abgefahren, ohne auf Minnie und Alexander zu warten?“ fragte ich. Solarin hielt den Stoffbeutel mit den Figuren in der Hand, als er steifbeinig aus dem kleinen Morgan stieg.
„Ganz so war es nicht“, erwiderte Nim. „Wir haben stundenlang gewartet - sehr viel länger, als Minnie uns befohlen hatte. Mein Vater lief im Regen unruhig auf dem Deck hin und her. Er stieg immer wieder in den Ausguck, um vielleicht von dort oben etwas zu sehen. Schließlich mußten wir annehmen, daß sie nicht kommen würden. Man hatte sie gefunden, dachten wir niedergeschlagen. Mein Vater wollte auslaufen. Ich flehte ihn an, noch zu warten. Aber er sagte mir, alles sei geplant und das werde von ihm erwartet. Wir verließen nicht nur den Hafen, wir segelten nach - Amerika. Mein Vater wußte das, als er meine Mutter heiratete. Er wußte um das Spiel. Er wußte, ein Tag würde kommen, an dem Minnie erschien und von der Familie ein schreckliches Opfer verlangte. Und so war es geschehen. In wenigen Stunden hatte er seine Familie verloren. Aber er hielt sich an den Schwur und wollte die Figuren unter Einsatz seines Lebens retten.“
„O Gott!“ flüsterte ich und sah die beiden fassungslos an. Solarin ging zu den Zinnien und hielt die Finger in das Brunnenbecken. „Es überrascht mich, daß ihr beide euch bereit erklärt habt, bei diesem Spiel mitzumachen, obwohl ihr in einer einzigen Nacht alles verloren hattet.“
Nim legte mir den Arm um die Schulter, und wir gingen zu seinem Bruder, der schweigend auf das Wasser blickte. Solarin hob den Kopf und sah Nims Hand auf meiner Schulter.
„Du hast es auch getan“, sagte er, „und Minnie ist nicht deine Großmutter. Aber wie ich jetzt begreife, hat Slawa dich in das Spiel hineingezogen.“
Seiner Stimme und seinem Gesicht war nicht zu entnehmen, was er dachte, aber ich konnte es mir nur allzugut vorstellen. Ich wich seinem Blick aus. Nim drückte mich an sich.
„ Mea culpa “, gestand er mit einem Lächeln.
„Was ist geschehen, als ihr feststellen mußtet, daß dein Vater ohne euch abgefahren war?“ fragte ich Solarin. „Wie habt ihr überlebt?“
Er zupfte die Blütenblätter von einer Zinnie und warf sie auf das Wasser. „Sie lief mit mir in den Wald. Dort versteckten wir uns, bis der Sturm vorüber war“, antwortete er in Gedanken versunken. „Danach sind wir drei Tage zu Fuß an der Küste entlang nach Georgien gewandert wie Bauern, die auf den Markt wollen. Als wir uns in Sicherheit glaubten, sprach Minnie mit mir über die nächsten Schritte. ‘Du bist alt genug,

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